Stiftungsrechtsreform

Über Jahrzehnte war das deutsche Stiftungsrecht zersplittert: Jedes Bundesland regelte zentrale Fragen unterschiedlich – etwa zur Vermögensverwaltung, Satzungsänderung oder Aufsicht. Die Stiftungsrechtsreform hat seit dem 1. Juli 2023 ein einheitliches Bundesrecht geschaffen. Wer eine Stiftung gründen will, sollte die rechtlichen Rahmenbedingungen kennen. Wer bereits Verantwortung in einer Stiftung trägt, muss prüfen, ob Stiftungssatzung und Strukturen angepasst werden sollten.

 

Was ist die Stiftungsrechtsreform?

Die Stiftungsrechtsreform ist die größte gesetzliche Neuregelung des Stiftungsrechts seit Jahrzehnten. Ihr Ziel: einheitliche und moderne Rahmenbedingungen für alle rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts in Deutschland.

 

Einheit statt Flickenteppich

Bislang war das Stiftungsrecht stark von länderspezifischen Regelungen geprägt. Die Folge: Unsicherheiten bei der Auslegung und Anwendung, besonders bei länderübergreifenden oder internationalen Aktivitäten. Die Reform schafft ein bundeseinheitliches Stiftungsrecht, das zentrale Regelungen direkt im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Sie bringt damit mehr Klarheit, Rechtssicherheit und Flexibilität für Stiftungen und markiert einen wichtigen Schritt in Richtung Zukunftsfähigkeit des gemeinnützigen Sektors.

 

Gültigkeit seit dem 1. Juli 2023

Nach einem langen Gesetzgebungsverfahren wurde zum 1. Juli 2023 das neue bundeseinheitliche Stiftungsrecht ins BGB aufgenommen. Es gilt verbindlich für alle bestehenden und neu zu gründenden rechtsfähigen Stiftungen. Die meisten Neuerungen betreffen unter anderem das Vermögensmanagement, Satzungsänderungen, Haftungsfragen und die Einführung eines digitalen Stiftungsregisters (zum 1. Januar 2026).
 

 

Was wurde durch die Stiftungsrechtsreform geändert?

Mit dem neuen Stiftungsrecht wurden zentrale Aspekte des Stiftungswesens neu geregelt oder erstmals bundeseinheitlich im BGB verankert. Ziel ist es, Rechtssicherheit zu schaffen, den Stifterwillen besser zu schützen und die Handlungsfähigkeit der Stiftung zu stärken.

 

Die wichtigsten Änderungen im Überblick

Die Reform bringt zahlreiche Neuerungen mit sich: von rechtlicher Vereinheitlichung über mehr Flexibilität in der Vermögensverwaltung bis hin zur Einführung eines zentralen Registers. Hier sind die zentralen Punkte kompakt zusammengefasst:

Vermögensverwaltung und Zuwendungen
Die neuen Regelungen schaffen mehr Flexibilität beim Einsatz des Stiftungsvermögens:

  • Umschichtungsgewinne – also Erträge aus dem Verkauf oder Tausch von Vermögenswerten – dürfen nun ausdrücklich für die Verwirklichung des Stiftungszwecks verwendet werden. Das eröffnet neue Handlungsspielräume bei der Mittelverwendung.
  • Hybridstiftungen, eine Mischform aus Ewigkeitsstiftung und Verbrauchsstiftung, werden gesetzlich anerkannt und geregelt. Sie können Teile ihres Vermögens planmäßig und innerhalb eines festgelegten Zeitraums für ihren Zweck einsetzen. Eine attraktive Option für Stifter mit begrenztem Kapital oder klar umrissenen Wirkungszielen.
  • Der Grundsatz der Vermögenserhaltung bleibt bestehen, wird aber durch die neuen Vorgaben zeitgemäß ergänzt – etwa durch die Möglichkeit, Rücklagen zu bilden oder Teile des Vermögens flexibler zu strukturieren.

 
Satzungsänderungen und Stifterwille
Aktuelle Änderungen im Stiftungsrecht schaffen mehr Rechtssicherheit bei einer Satzungsänderung und stärken zugleich die Bedeutung des Stifterwillens.

  • Satzungsänderungen sind künftig klarer geregelt und unter bestimmten Voraussetzungen auch erleichtert möglich, etwa bei veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen oder praktischen Herausforderungen im Stiftungsbetrieb.
  • Die Reform regelt zudem klar die Voraussetzungen für eine Aufhebung oder Umwandlung einer Stiftung – wichtige Punkte, um Stiftungen zukunftsfähig zu gestalten.
  • Gleichzeitig wird der ursprüngliche Stifterwille ausdrücklich geschützt: Änderungen dürfen nur erfolgen, wenn sie dem Sinn und Geist der Stiftungsidee nicht widersprechen.
  • Neu ist: Stifter können zu Lebzeiten verbindlich festlegen, wie ihr Wille in Zukunft auszulegen ist, etwa durch die sogenannte Verfügung zum Stifterwillen. Diese Möglichkeit schafft Planungssicherheit über Generationen hinweg und kann in die Satzung aufgenommen oder separat dokumentiert werden.
     

Umstrukturierungen: Fusionen und Umwandlungen
Die Stiftungsrechtsreform bringt erstmals klare Regelungen per Gesetz für strukturelle Veränderungen im Stiftungsbereich. Ein wichtiger Schritt für mehr Flexibilität und Zukunftsfähigkeit.

  • Zulegung: Der Zusammenschluss mehrerer Stiftungen zu einer neuen Einheit ist nun ausdrücklich möglich, um Ressourcen zu bündeln, Doppelstrukturen abzubauen oder die Wirkung zu stärken.
  • Umwandlungen: Stiftungen können künftig rechtssicher in eine Verbrauchsstiftung umgewandelt werden, wenn ihr Zweck nur auf diese Weise erfüllt werden kann – vorausgesetzt, der Stifterwille steht dem nicht entgegen.

 
Klarere Haftungsregelungen für Organmitglieder
Die Reform stärkt die Rechtssicherheit für Vorstände und andere Organmitglieder – insbesondere bei komplexen Entscheidungen im Stiftungsalltag.

  • Neu aufgenommen wurde die sogenannte Business Judgement Rule: Stiftungsorgane haften nicht, wenn sie bei Entscheidungen nach bestem Wissen und in angemessener Sorgfalt zum Wohle der Stiftung handeln, auch wenn sich die Entscheidung später als nicht optimal herausstellt.
  • Diese Regel schützt insbesondere ehrenamtliche und nebenamtliche Verantwortliche, solange sie sorgfältig, informiert und bei der Entscheidungsfindung loyal die Interessen der Stiftung verfolgen.
  • Gleichzeitig bleibt klar: Pflichtverletzungen, grobe Fahrlässigkeit oder Interessenkonflikte sind weiterhin haftungsauslösend.

 
Einheitliches Stiftungsregister (ab 2026)
Erstmals wird ein zentrales, bundesweites Stiftungsregister eingeführt – ein großer Schritt hin zu mehr Transparenz und Einheitlichkeit im Stiftungswesen.

  • Das Register wird ab dem 1. Januar 2026 elektronisch vom Bundesamt für Justiz geführt und enthält die wichtigsten Angaben zu allen rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts, darunter Name, Sitz, Zweck, Vertretungsregelungen und Satzungsauszüge.
  • Es erhält sogenannte Publizitätswirkung: Die dort eingetragenen Angaben, insbesondere zur Vertretungsbefugnis, gelten rechtlich als richtig.
  • Wichtig für Stiftungen: Nur wer im Register eingetragen ist, kann sich künftig gegenüber Dritten auf eine gesetzlich vermutete Vertretungsberechtigung berufen.

 
 

Was bedeutet die Reform für bestehende Stiftungen?

Für bestehende Stiftungen bringt die Reform nicht automatisch Änderungsbedarf, wohl aber Prüfungs- und gegebenenfalls Handlungsbedarf. Denn die neuen gesetzlichen Regelungen gelten auch für bereits anerkannte rechtsfähige Stiftungen, unabhängig vom Gründungsdatum.

 

Satzung prüfen

Bestehende Satzungen sollten daraufhin überprüft werden, ob sie mit dem neuen Bundesrecht in Einklang stehen – insbesondere bei folgenden Punkten:

  • Regelungen zur Vermögensverwendung (zum Beispiel Verwendung von Umschichtungsgewinnen, Grundstockvermögen)
  • Satzungsänderungen und interne Änderungsverfahren
  • Bestimmungen zur Organhaftung und Aufgabenverteilung
  • Stifterwille und seine zukünftige Berücksichtigung

Tipp: Eine vorausschauende Satzungsanpassung kann helfen, späteren Konflikten mit Aufsichtsbehörden oder Organmitgliedern vorzubeugen.

 

Vorbereitung auf das Stiftungsregister (ab 2026)

Alle zum 1. Januar 2026 bereits bestehenden rechtsfähigen Stiftungen müssen sich bis spätestens bis zum 31. Dezember 2026 in das neue bundesweite Stiftungsregister eintragen lassen.

Tipp: Frühzeitig klären, wer als vertretungsberechtigt gilt, und sicherstellen, dass die internen Daten und Satzungsdokumente vollständig und aktuell sind. Sensible Daten können auf Antrag im Register geschwärzt werden.

 

Klare Haftungsregeln – aber auch Verantwortung

Die gesetzlich verankerte Business Judgement Rule bietet Organmitgliedern Schutz bei wohlüberlegten Entscheidungen. Gleichzeitig bringt die Regelung eine verstärkte Verantwortung mit sich: Entscheidungen sollten dokumentiert, begründet und im Zweifel nachvollziehbar gemacht werden. Protokolle, Beschlussunterlagen oder interne Risikoabwägungen gewinnen damit an Bedeutung – nicht nur zur Absicherung, sondern auch im Sinne guter Governance und transparenter Führungsstrukturen.
 

 

Chancen und Herausforderungen für Stifter

Die Stiftungsrechtsreform bringt für (potenzielle) Stifter eine deutlich klarere Rechtslage und eröffnet gleichzeitig neue Möglichkeiten, ihre Stiftungsidee umzusetzen. Wer heute stiften möchte, findet verbesserte Rahmenbedingungen, sollte aber auch auf einige neue Anforderungen vorbereitet sein.

 

Chancen der Stiftungsreform

Die Reform eröffnet spürbare Chancen für Stifter und Stiftungspraxis.

Mehr Rechtssicherheit beim Stiften
Die bundeseinheitlichen Regelungen im BGB schaffen klare Vorgaben zur Anerkennung, Aufsicht, Vermögensverwaltung oder Organhaftung. Das reduziert Unsicherheiten im Gründungsprozess und erleichtert die Zusammenarbeit mit Behörden, Banken und Förderpartnern.

Erhöhter Gestaltungsspielraum
Stifter können ihre Stiftung heute flexibler anlegen, zum Beispiel als Verbrauchsstiftung oder mit variablen Zwecken. Auch spätere Satzungsänderungen lassen sich gezielter vorbereiten, etwa durch die Dokumentation des langfristigen Stifterwillens. Das erhöht die Anpassungsfähigkeit an gesellschaftliche Entwicklungen.

Professionalisierung von Strukturen
Die neuen Regelungen stärken die Organverantwortung und Governance, was insbesondere größere oder unternehmensnahe Stiftungen nutzen können, um Entscheidungsprozesse abzusichern und Haftungsrisiken zu minimieren.

Tipp: Wer ohnehin über eine Umstrukturierung nachdenkt (z. B. eine Zusammenlegung mit einer anderen Stiftung oder eine Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung), profitiert nun von klar geregelten Verfahren und rechtssicherem Handlungsspielraum.

 

Herausforderungen

Die neuen Möglichkeiten erfordern sorgfältige Planung und fundierte Beratung, damit Stiftungen nachhaltig erfolgreich sind.

Mehr Beratungsbedarf
Die größere Gestaltungsfreiheit bringt auch mehr Entscheidungsoptionen mit sich, etwa zur Vermögensstruktur, Satzungsformulierung oder Wahl der Stiftungsformen. Eine rechtlich und steuerlich fundierte Stiftungsberatung ist heute wichtiger denn je.

Komplexere Vorbereitungsphase
Insbesondere die Anforderungen an das künftige Stiftungsregister erfordern eine sorgfältige Datenerhebung und Dokumentation schon im Gründungsprozess. Auch das Zusammenspiel mit anderen Registern (z. B. dem Transparenzregister) sollte von Beginn an berücksichtigt werden.

Nachhaltige Verantwortung
Wer stiftet, schafft eine langfristig wirksame Rechtsform. Die Reform macht es leichter, diese Verantwortung tragfähig zu gestalten. Gleichzeitig bedeutet das: Der Stiftungszweck und die organisatorische Ausrichtung sollten vorausschauend und strukturiert geplant sein.
 

 

Klarheit nutzen – Verantwortung gestalten

Die Stiftungsrechtsreform markiert einen Meilenstein für das Stiftungswesen in Deutschland. Mit dem neuen, bundeseinheitlichen Rechtsrahmen wird Stiften nicht nur rechtssicherer, sondern auch flexibler und zukunftsfähiger.

 

Neue Spielräume und klare Pflichten

Für Stifter wie für Stiftungsverantwortliche gilt: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um bestehende Strukturen zu überprüfen oder Neugründungen gezielt anzugehen. Die Reform bietet viele Chancen, setzt aber auch neue Standards in Haftung, Dokumentation und Governance. Wer sicherstellen möchte, dass Satzung, Vermögensstrategie und Organisationsstruktur zu den neuen Vorgaben passen, profitiert von fachkundiger Begleitung, zum Beispiel durch das Deutsche Stiftungszentrum. Denn: Gutes Stiften braucht nicht nur Engagement, sondern auch rechtliche Klarheit.
 

 

FAQ

Gibt es ein zentrales Stiftungsregister?
Ja. Ab dem 1. Januar 2026 wird ein bundesweites öffentlich einsehbares elektronisches Stiftungsregister eingeführt. Es wird vom Bundesamt für Justiz geführt und enthält Angaben zu allen rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts – darunter Name, Sitz, Vertretungsregelungen und Satzungsauszüge.

Welche Übergangsfristen gelten für bestehende Stiftungen?
Bestehende Stiftungen müssen sich bis Ende 2026 in das neue Stiftungsregister eintragen lassen, wenn sie weiterhin rechtsgeschäftlich handlungsfähig sein wollen (zum Beispiel im Rechtsverkehr mit Banken, Behörden oder Vertragspartnern). Es empfiehlt sich, die Vorbereitungen frühzeitig zu beginnen – insbesondere die Klärung der Vertretungsregelung und die Aktualisierung der Satzung.

Was bedeutet "Publizitätswirkung" im Stiftungsregister?
Das neue Register hat sogenannte Publizitätswirkung: Die dort eingetragenen Angaben – insbesondere zur Vertretungsberechtigung – gelten als richtig und verbindlich gegenüber Dritten. Wer im Register steht, gilt automatisch als vertretungsberechtigt. Das bedeutet mehr Rechtssicherheit, aber auch höhere Anforderungen an die Pflege und Aktualität der Daten.

Wie wirkt sich die Reform auf Stifterinnen und Stifter aus, die jetzt gründen wollen?
Die Reform bietet mehr Klarheit und Gestaltungsspielraum für Stiftungsgründung – zum Beispiel durch explizite Regelungen zu Verbrauchsstiftungen, Umschichtungsgewinn oder flexiblen Satzungsgestaltungen. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die rechtliche Ausgestaltung und Dokumentation. Wer heute stiften will, sollte die neuen Möglichkeiten aktiv nutzen – aber auch auf eine fundierte Beratung zurückgreifen, um spätere Anpassungen zu vermeiden.

 

Was bedeutet die Stiftungsrechtsreform für Stiftungen?

Im Interview mit Stifter TV erläutert Dr. Markus Heuel, Mitglied der DSZ-Geschäftsleitung, die Auswirkungen der Stiftungsrechtsreform.

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StifterTV mit Markus Heuel (Video)
Stifter TV (2021)