Ein Urteil lehrt: Hybridversammlung rechtssicher gestalten

Ein Urteil lehrt: Hybridversammlung rechtssicher gestalten

Ein Urteil des Amtsgerichts Spandau (Urteil vom 27. Juni 2024 – Az.: 3 C 78/2) zeigt exemplarisch, woran hybride Mitgliederversammlungen scheitern können: Formale Fehler in der Einladung führten dazu, dass mehrere Vereinsbeschlüsse für nichtig erklärt wurden. Der folgende Beitrag zeigt, was genau passiert ist – und worauf Vereine achten sollten.

Ein Beitrag der Deutschen Stiftungsanwälte, zuerst erschienen im Fachmagazin Stiftung&Sponsoring 3/2025

Die Entscheidung des AG Spandau beruht im Wesentlichen auf folgendem Sachverhalt: Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Beschlüssen der Mitgliederversammlungen vom 30. November 2023 und 20. Dezember 2023. Bei dem Beklagten handelt es sich um einen eingetragenen Verein mit Sitz in Berlin. Bei der Klägerin handelt es sich um ein ordentliches Mitglied des Beklagten.

 

Einladung zur Hybridversammlung: Formfehler im Fokus

Der Beklagte berief am 31. Oktober 2023 eine außerordentliche Mitgliederversammlung für den 30. November 2023 sowie am 21. November 2023 eine ordentliche Mitgliederversammlung für den 20. Dezember 2023 – jeweils in hybrider Form – ein. Dabei wurde in der Einberufung für die Teilnahme an der Mitgliederversammlung vom 30. November 2023 im Online-Format eine Anmeldefrist bis zum 25. November 2023 festgelegt, um eine angemessene technische Vorbereitung und Unterstützung gewährleisten zu können. Nach Ablauf der oben genannten Anmeldefrist sollte die Teilnahme im Online-Format nicht mehr möglich sein. Die Anmeldefrist für die Teilnahme in Präsenz hingegen endete am 27. November 2023.

Für die Teilnahme an der Mitgliederversammlung vom 20. Dezember 2023 im Online-Format wurde eine Anmeldefrist bis zum 15. Dezember 2023 vorgegeben. Nach Ablauf dieser Anmeldefrist wurde die Teilnahme im Online-Format aus dem oben dargelegten Grund versagt. Für die Teilnahme in Präsenz wurde eine Frist zur verbindlichen Anmeldung bis zum 17. Dezember 2023 vorgegeben.

 

Anfechtung durch Vereinsmitglieder

Mit Brief vom 17. Dezember 2023 an den Beklagten focht die Klägerin (sowie weitere Mitglieder) gegenüber dem Beklagten die Wahl des Vorsitzenden und des 2. Vorsitzenden im Rahmen der außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 30. November 2023 an. Mit E-Mail vom 15. Januar 2024 focht ein anderes Mitglied die Abstimmung Nummer 4 unter Tagesordnungspunkt 6, welcher im Rahmen der ordentlichen Mitgliederversammlung die Entlastung des geschäftsführenden Vorstandes regelte, ebenfalls an. Der Beklagte wies die Beanstandungen zurück.

Die Klägerin trug vor, dass die Einladung zur Mitgliederversammlung keine ausreichenden Hinweise zur elektronischen Teilnahme und Kommunikation enthalten habe. Sie war der Ansicht, dass der Ausschluss von einer Teilnahme im Online-Format aufgrund verspäteter Anmeldung ein Ladungsmangel darstelle. Zudem seien die Wahlen zum Vorstand im Rahmen der außerordentlichen Mitgliederversammlung nicht ordnungsgemäß verlaufen, da der Versammlungsleiter keine weiteren Kandidaten zugelassen habe, obwohl das in der Satzung enthaltene passive Wahlrecht nicht auf ordentliche Vereinsmitglieder beschränkt sei. Die Klägerin trug ferner vor, dass es auch im Rahmen der ordentlichen Mitgliederversammlung im Kontext mit den Abstimmungen über die Entlastung des Vorstandes zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei.

 

Klageziel: Nichtigkeit zweier Vereinsbeschlüsse

Die Klägerin beantragte mit der dem Beklagten am 17. April 2024 zugestellten Klage:
1. festzustellen, dass die vom 30. November 2023 durchgeführte Wahl der stellvertretenden Vorsitzenden nichtig ist,
2. festzustellen, dass der Beschluss der Abstimmung Nummer 4 zu Tagesordnungspunkt 6 der Mitgliederversammlung des Beklagten vom 20. Dezember 2023 nichtig ist.

Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen, mit der Begründung, dass die Klage nicht fristgemäß erhoben worden sei, da die Frist bei Klagen gegen Wahlergebnisse der Mitgliederversammlung einen Monat betrage.

 

Gericht: Klage zulässig und begründet

Im Ergebnis war die Klage zulässig und begründet und hatte somit Erfolg. Das AG Spandau begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt: Die Feststellungsklage war zulässig. Insbesondere hat die Klägerin, als Mitglied des Beklagten, ein berechtigtes Interesse an der Überprüfung der Wirksamkeit der Vorstandswahl und der Abstimmung über die Teilentlastung, unabhängig von der unmittelbaren persönlichen Betroffenheit. Fehlerhafte Beschlüsse im Vereinsrecht sind grundsätzlich nichtig.
Die Klage war darüber hinaus begründet, insbesondere verstößt eine knapp drei Monate nach der ordentlichen Mitgliederversammlung eingereichte Klage nicht gegen das Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Klage wurde folglich – mangels gesetzlicher Frist im Falle von Feststellungsklagen im Zusammenhang mit Beschlüssen von Mitgliederversammlungen – rechtzeitig eingereicht. Ferner war bereits die Einberufung der beiden Mitgliederversammlungen rechtsfehlerhaft. Infolgedessen sind – im Falle einer Anfechtung wie hier – alle im Rahmen dieser Mitgliederversammlungen erfolgten Abstimmungen unwirksam.

 

Einberufungsmangel macht Beschlüsse unwirksam

Nach Auffassung des Amtsgerichts Spandau erfolgte die Einberufung der Mitgliederversammlungen vom 30. November 2023 und vom 20. Dezember 2023 unrechtmäßig. Demnach seien Beschlüsse der Mitgliederversammlung nichtig, wenn sie gegen zwingende gesetzliche Vorschriften oder die Vereinssatzung verstoßen. Dies gelte auch für Beschlüsse und Wahlen, die auf einer nicht ordnungsgemäß einberufenen Mitgliederversammlung gefasst werden. Das Recht zur Teilnahme an Mitgliederversammlungen gehöre zu den grundlegenden Mitgliedschaftsrechten eines Vereinsmitgliedes. Da die Einladung zur Mitgliederversammlung nicht nur dem Interesse des einzelnen Mitglieds, sondern dem Interesse sämtlicher Mitglieder diene, stelle ein satzungswidriger Einberufungsmangel einen relevanten Verstoß dar, der – wie in diesem Fall – die Unwirksamkeit der in der jeweiligen Mitgliederversammlung gefassten Beschlüsse zur Folge habe. Das Amtsgericht Spandau erklärte die Beschlüsse der o.g. Mitgliederversammlungen demzufolge für nichtig.

 

Fehlende Satzungsgrundlage für hybride Formate

Die Möglichkeit einer hybriden Durchführung einer Mitgliederversammlung sei in der Satzung nicht vorgesehen, es komme also auf die gesetzliche Regelung an. Laut Entscheidung des Amtsgerichts Spandau habe die Einladung gegen die rechtlichen Vorgaben des § 32 Abs. 2 BGB verstoßen. Zwar sieht dieser vor, dass bei der Berufung der Versammlung Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können, aber wurde vorliegend – abweichend vom Gesetz und ohne entsprechende Grundlage in der Satzung – eine Anmeldefrist für die digitale Teilnahme festgelegt. Eine Teilnahme im Online-Format sollte nach Ablauf dieser Frist nicht mehr möglich sein.

 

Technische Hürden verletzen Mitgliederrechte

Das Amtsgericht Spandau ist außerdem der Auffassung, dass die Einladung keine ausreichenden Informationen zur technischen Handhabung der Online-Teilnahme enthielt, was einen Verstoß gegen § 32 Abs. 2 S. 3 BGB darstelle. Es wurde nicht ausdrücklich klargestellt, wie die teilnehmenden Mitglieder über "POLYAS" ihre Rede- und Abstimmungsanteile verwirklichen könnten. Nach Auffassung des Gerichts umfasst eine ordentliche Teilnahme an einer Mitgliederversammlung nicht nur ein bloßes Stimmrecht, sondern auch eine aktive Mitwirkung (Teilnahme- und Rederecht), welche vorliegend nicht vollständig ermöglicht bzw. gewährleistet wurde.

 

Praxistipp: So gelingt die rechtssichere Hybridversammlung

Die Entscheidung des Amtsgerichts Spandau macht deutlich: Die Durchführung hybrider Mitgliederversammlungen bedarf einer satzungsmäßigen Grundlage. Fehlt eine ausdrückliche Ermächtigung zur digitalen Durchführung oder wird gegen die formellen Anforderungen des § 32 Abs. 2 BGB verstoßen, sind die in der Versammlung gefassten Beschlüsse als nichtig zu betrachten.

Wichtig ist:

  • Bei Einladungen zu digitalen oder hybriden Versammlungen müssen alle Mitglieder rechtzeitig, ordnungsgemäß und in verständlicher Weise über die technischen Zugangsmöglichkeiten informiert werden.
  • Die Mitgliederrechte – insbesondere das Rede-, Antrags- und Stimmrecht – müssen auch im Rahmen virtueller Versammlungen uneingeschränkt gewährleistet werden. Technische Hindernisse oder unzureichende Anmerkungen zur praktischen Ausübung dieser Rechte können einen erheblichen Einberufungsmangel darstellen.

Vereine sollten ihre Satzung um eine klare Regelung zur digitalen oder hybriden Durchführung von Mitgliederversammlungen ergänzen. Das schafft rechtliche Sicherheit – und ermöglicht zugleich eine flexible Versammlungsform. Nur wenn die Teilnahme aller Mitglieder gleichberechtigt gewährleistet ist, kann eine virtuelle oder hybride Mitgliederversammlung wirksam und anfechtungssicher durchgeführt werden.

 

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