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Ein Tochterunternehmen des Stifterverbandes

Digitale und hybride Beschluss­fassung in Stiftung und Verein

WAS GEHT UND WAS NICHT GEHT

Mit einer Anpassung im Bürgerlichen Gesetzbuch hat der Gesetzgeber die Handlungsfähigkeit von Vereinen und Stiftungen gestärkt. Auf (hybriden) Beschluss der Mitgliederversammlung oder des Stiftungsvorstands können Vereine und Stiftungen des Bürgerlichen Rechts – unabhängig von einer entsprechenden Satzungsregelung – zukünftig Sitzungen auch rein virtuell durchführen. Allerdings bleibt eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren, so der Gesetzestext, weiterhin nur "schriftlich" möglich.

DAS WICHTIGSTE AUF EINEN BLICK

  • Mitgliederversammlungen bzw. Sitzungen des Stiftungsvorstands sind in hybrider und rein digitaler Form zulässig – ohne dass dafür eine Satzungsänderung nötig ist.
  • Ohne Satzungsregelung kann in einer hybriden Sitzung des jeweiligen Organs die zukünftige rein "digitale" Beschlussfassung beschlossen werden.
  • Eine rein digitale Beteiligung an der Versammlung oder Sitzung ist nicht nur per Videokonferenz möglich, sondern auch andere Wegen der elektronischen Kommunikation sind zulässig – diese müssen allerdings explizit bei der Einberufung bzw. Einladung angegeben werden.
  • Umlaufbeschlüsse sind ohne Satzungsänderung weiterhin nur in Schriftform zulässig.

Die Rechtsgrundlage

Es ist eine Erleichterung für Vereine und Stiftungen des Bürgerlichen Rechts: Ergänzend zur Präsenzform dürfen sie seit dem 21. März 2023, ohne vorher die Satzung entsprechend zu ändern, Mitgliederversammlungen und Vorstandssitzungen rein digital oder in hybrider Form durchführen. Möglich ist dieses durch eine Gesetzesänderung – konkret hat der Gesetzgeber den folgenden Absatz 2 in § 32 BGB eingefügt:

(2) Bei der Berufung der Versammlung kann vorgesehen werden, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können (hybride Versammlung). Die Mitglieder können beschließen, dass künftige Versammlungen auch als virtuelle Versammlungen einberufen werden können, an der Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre anderen Mitgliederrechte ausüben müssen. Wird eine hybride oder virtuelle Versammlung einberufen, so muss bei der Berufung auch angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.

Die Regelung gilt über die Verweisung durch § 28 BGB bzw. § 86 Satz 1 BGB auch für Sitzungen von mehrköpfigen Vereins- und Stiftungsvorständen (vgl. Drucksache 22/5585, Seite 10).

Nach dem Gesetzgeber soll § 32 Abs. 2 BGB n.F. unter anderem die Mitgliedschaftsrechte (in Vereinen) stärken und ehrenamtliches Engagement fördern. Denn durch die Gesetzesänderung wird eine digitale oder hybride Mitgliederversammlung – d.h. eine Teilnahme mit einzelnen zugeschalteten Mitgliedern – unabhängig von einer entsprechenden Regelung in der Vereins- oder Stiftungssatzung möglich. Unter elektronsicher Kommunikation versteht der Gesetzgeber Videokonferenzen, Telefonkonferenzen, Meinungsaustausch per Internetdialog ("Chat") und/oder Abstimmung per E-Mail. Bei der Auswahl der elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten werden die verantwortlichen Organmitglieder berücksichtigen müssen, ob das notwendige Maß an Identitätsprüfung, Datenschutz und Dokumentationssicherheit sichergestellt ist. Beispielsweise wird dies bei Kommunikationsmitteln wie WhatsApp oder E-Mail regelmäßig schwierig sein.

 

Grenzen der digitalen Beschlussfassung

Die Gesetzesänderung gibt Vereinen und Stiftungen mehr Flexibilität, gleichzeitig schränkt der Gesetzestext Regelungen, die während der Corona-Pandemie galten, wieder ein.

In der Zeit vom 27. März 2020 bis zum 31. August 2022 ermöglichte das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRuaCOVBekG) Organsitzungen per se digital durchzuführen. § 32 Abs. 2 BGB n.F. schränkt diese wieder ein.

 

Erst hybrid, dann rein digital – Beschluss gilt nicht rückwirkend

Durch das Wort "künftige" wird klargestellt, dass eine Ermächtigung nach § 32 Absatz 2 Satz 1 BGB n.F. nur für zukünftig stattfindende Versammlungen respektive Sitzungen getroffen werden darf, nicht hingegen für die Versammlung, in der der Beschluss für Sitzungen im Wege der rein elektronischen Kommunikation gefasst wird. Insoweit bedarf es für zukünftige rein "digitale" Beschlussfassung in dem jeweiligen Organ zunächst einer zumindest hybriden Sitzung, in der die "zukünftige" neue rein virtuelle Beschlussfassung zunächst beschlossen wird. Insoweit kann das betroffene Organ in der hybrid stattzufindenden Sitzung ggf. auch direkt eine Satzungsänderung beschließen, nach welcher eine rein digitale Beschlussfassung per Satzung ermöglicht wird. Denn § 32 BGB ist dispositiv, so dass Vereine und Stiftungen des Bürgerlichen Rechts (bereits nach geltendem Recht) aufgrund von Satzungsregelungen vorsehen können, dass die Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort nur im Wege der elektronischen Kommunikation an der Mitgliederversammlung oder Vorstandssitzung und/oder Umlaufverfahren teilnehmen und ihre Rechte ausüben können.

Denn neben der nun bestehenden Möglichkeit der rein virtuellen oder hybriden Beschlussfassung dürften sehr viele (steuerbegünstigte) Vereins- und Stiftungssatzungen noch nicht an die am 29. Dezember 2020 in Kraft getretene Gemeinnützigkeitsrechtsreform angepasst worden sein.

 

Informationspflicht im Vorfeld über digitale Methoden für Wortmeldungen und Abstimmungen

Nach § 32 Abs. 2 Satz 3 BGB n.F. ist ferner bei der Einberufung bzw. Einladung auch anzugeben, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können. Diese Vorgabe birgt in der Praxis die Gefahr, dass eine spätere Beschlussfassung aufgrund der Nichteinhaltung dieser Vorgabe in der Versammlungs- oder Sitzungseinladung ggf. angegriffen werden kann.

 

Umlaufbeschlüsse weiterhin in Schriftform

Eine Satzungsänderung wird in Zukunft auch dann erforderlich sein, wenn der Verein oder die Stiftung des Bürgerlichen Rechts Umlaufbeschlüsse mit Hilfe von elektronischen Kommunikationsmitteln durchführen wollen wird. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers bleibt es bei der Regelung des § 32 Abs. 2 BGB a.F., der nunmehr zu § 32 Abs. 3 BGB n.F. wird. Hiernach ist ein Beschluss der Mitglieder nur gültig, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich erklären. Dies schließt nach der herrschenden Lesart eine elektronische Kommunikation aus. Unter "schriftlich" versteht man überwiegend die Schriftform des § 126 BGB (siehe Leuschner in MüKoBGB, 9. Aufl. 2021, § 32 Rn. 67 mwN), d.h. es bedarf einer eigenhändigen Unterschrift aller abstimmenden Mitglieder. Umlaufbeschlüsse der Vereins- und Vorstandsmitglieder können daher mit der notwendigen Rechtssicherheit nach wie vor nur dann auf elektronischem Wege wirksam gefasst werden, wenn die Satzung vom Schriftformerfordernis des § 32 Abs. 3 BGB-n.F. abweicht.

 

PRAXISTIPP

Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, empfiehlt sich eine entsprechende Satzungsregelung vorzunehmen, welche sowohl die Beschlussverfahren in digitalen und hybriden Sitzungen als auch im Umlaufverfahren regelt.

Benjamin Weber (Foto: Sven Lorenz)

DER AUTOR

Rechtsanwalt Benjamin Weber ist Partner bei der Deutschen Stiftungsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Essen.

Der Artikel erschien zuerst in Stiftung&Sponsoring, Ausgabe 2/2023.

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