Mobilität mit oder ohne Auto ermöglichen, effiziente Transportwege für Güter und Waren offenhalten, Erholungsflächen bieten, und das alles auf begrenztem Raum – Verkehrsplanung steht vor vielfältigen Herausforderungen. Die durch die Fritz und Hildegard Berg-Stiftung geförderte Arbeitsgruppe um Dr. Jobst Augustin, Privatdozent an der Universität Hamburg, untersucht im Hamburger Südwesten, wie die Verzahnung von Verkehrsplanung, Politik, Gesundheit, Umwelt und lokaler Bevölkerung gelingen kann, um Verkehrskorridore nutzerfreundlich zu gestalten.
Herr Augustin, warum ist es so herausfordernd, Verkehrswege in Stadtregionen nutzerfreundlich zu gestalten?
Stadtregionen zeichnen sich durch wirtschaftliche Stärke, leistungsfähige Infrastruktur sowie großes Bevölkerungspotenzial aus. Sie sind in ihrer Zusammensetzung komplexe sozio-politische Gebilde, die durch eine hohe Anzahl an Akteuren, Institutionen und Zuständigkeiten charakterisiert sind. Das politische Ziel einer hohen Wettbewerbsfähigkeit setzt eine intensive verkehrsinfrastrukturelle Anbindung und Vernetzung voraus. Daraus ergeben sich jedoch Zielkonflikte, vorrangig zwischen Verkehrsinfrastruktur, Naturschutz sowie vor allem Gesundheitsaspekten der lokalen Bevölkerung.
Welcher Art sind diese Zielkonflikte?
Beispielsweise geht der Ausbau von Verkehrsinfrastruktur oftmals mit einer Erhöhung der Emissionen durch Luftschadstoffe und Lärm einher, was sich wiederum negativ auf die Gesundheit der lokalen Bevölkerung auswirken kann. Darüber hinaus zerschneiden Verkehrsachsen die Landschaft, zu Lasten des Natur- und letztlich auch des Gesundheitsschutzes.
Und was kann man tun, um die Gesundheit der Bevölkerung in urbanen Regionen zu verbessern?
In unserem Forschungsprojekt "GeSGo – Integration von Gesundheit in die Stadt- und Verkehrsplanung – Neue Governancestrukturen in stadtregionalen Verkehrskorridoren" untersuchen wir am Beispiel der Stadtregion "Hamburger Südwesten" über Sozialraum- und Gesundheitsanalysen, aber auch spezifische Analysen zu Mobilität und Akzeptanz bestehender und geplanter Verkehrsachsen, wie bestehende Verkehrswege genutzt werden und welche Faktoren Gesundheit und Wohlbefinden der Bevölkerung beeinflussen. Aus diesen Erkenntnissen können wir Strategien und Handlungsempfehlungen zur Optimierung von Prozessen auf verschiedenen Planungsebenen entwickeln, um eine Integration von Gesundheit in die Stadt- und Verkehrsplanung zu fördern. Interdisziplinarität ist der Schlüssel dazu. Für das "GesGo"-Projekt arbeiten wir darum mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen), der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg (Department für Pflege und Management) sowie dem Institut für Verkehrsplanung und Logistik der Technischen Universität Hamburg zusammen.
Erforschen, was einen gut nutzbaren Verkehrsweg ausmacht, und künftige Wege dann so bauen, das klingt eigentlich einfach ...
... ist es aber nicht, weil der Großteil der Infrastruktur ja bereits besteht und nicht über Nacht umgebaut werden kann. Und selbst für eine kluge Planung neuer Verkehrsachsen, die alle Interessengruppen berücksichtigt, ist die Akzeptanz der Maßnahmen und die Zusammenarbeit verschiedenster Akteure erforderlich. Stadt- und Verkehrsplanung, aber auch Politik, Gesundheitswissenschaften, Umweltwissenschaften, Architektur, Bildung und natürlich die Bevölkerung selbst, da müssen viele Leute Hand in Hand gehen, um die Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen. Das ist ein langer Weg, auch weil die Notwendigkeit, Gesundheitsaspekte in der Stadt- und Verkehrsplanung viel stärker zu berücksichtigen, in der Vergangenheit leider zu kurz gekommen ist.
Wie sieht für Sie die "Stadt der Zukunft" aus?
Ohne auf einzelne Maßnahmen einzugehen, sollte die Stadt der Zukunft den Einklang von Wirtschaft und Verkehr mit Umwelt, Nachhaltigkeit, Gesundheit und Lebensqualität der städtischen Bevölkerung verkörpern. Das setzt voraus, dass bereits in der Planung, d.h. zu einem frühen Zeitpunkt, das Interesse der Menschen an einer gesunden, nachhaltigen und lebenswerten Stadt prioritär mitgedacht und dies vor allem später auch umgesetzt wird. Bei diesen Prozessen ist wichtig, dass die Stadtbewohner in einem frühen Stadium eingebunden werden.
Jobst Augustin lehrt und forscht an der Universität Hamburg in enger Kooperation mit Prof. Susanne Busch (Hochschule für Angewandte Wissenschaften, HAW) und Prof. Carsten Gertz (Technische Universität Hamburg, TUHH) zum Thema Stadtgesundheit und Verkehrsplanung.
Foto: privat
Das Projekt "GeSGo – Integration von Gesundheit in die Stadt- und Verkehrsplanung – Neue Governancestrukturen in stadtregionalen Verkehrskorridoren" wird über drei Jahre Laufzeit von der Fritz und Hildegard Berg-Stiftung gefördert, die unter dem Dach "Stadt der Zukunft" eine Reihe innovativer Forschungsprojekte unterstützt, welche sich einer umwelt-, gesundheits- und sozialverträglichen Gestaltung urbaner Lebensräume widmen.