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"Jedes fünfte Kind in Deutschland wächst in Armut auf"

28.02.2022

Die TRIBUTE TO BAMBI Stiftung engagiert sich seit 2001 für notleidende Kinder und Jugendliche, und nutzt dafür die mediale Aufmerksamkeit rund um den Medienpreis BAMBI. Seit dem Sommer 2021 wird die Stiftung durch das Deutsche Stiftungszentrum (DSZ) betreut.

Im Interview gibt Patricia Riekel, Initiatorin und Vorstandsvorsitzende der Stiftung sowie ehemalige Chefredakteurin der Zeitschrift "BUNTE", Einblicke in ihre Arbeit und die Beweggründe für ihr Engagement.

Frau Riekel, vor über 20 Jahren haben Sie TRIBUTE TO BAMBI gestartet. Wie hat sich die Charity-Landschaft seitdem verändert? Ist es heute eher leichter oder schwerer, Geld für den guten Zweck zu sammeln?

Das ist schwer zu beantworten. Auf der einen Seite habe ich den Eindruck, dass Empathie und Mitgefühl für Kinder in Not steigen, weil die Kluft zwischen Arm und Reich immer dramatischer wird und wir auch durch Medien auf allen Kanälen immer mehr erfahren, wo es hapert. Ich finde es schockierend, dass immer mehr Kinder, gerade in einem reichen Land wie Deutschland, Hilfe von außen brauchen. Andererseits ist der Wettbewerb unter den wohltätigen Organisationen größer geworden, denn durch die niedrigen Zinsen müssen immer mehr Stiftungen Spenden sammeln, um genug Mittel für ihre Arbeit zur Verfügung zu haben. Dazu kommt, dass gerade die großen Hilfsorganisationen sich in der Spendenwerbung stark professionalisiert haben. Für die kleineren Organisationen, die nicht so viel ausgeben wollen, um sich darzustellen, wird es daher schwieriger, auf sich aufmerksam zu machen. Das Spendenaufkommen ist zwar insgesamt nicht weniger geworden, aber angesichts der Krisen der letzten Jahre hat es sich stark auf Katastrophenhilfe verlagert, für die man kurzfristig viele Spenden sammeln kann, weil die Not die Menschen sehr bewegt. Allerdings wird es insgesamt schwieriger, für kontinuierliche Arbeit außerhalb von Katastrophen Gelder zu bekommen. Es ist manchmal auch schwer zu vermitteln, dass ausgerechnet in Deutschland Kinder in solcher Not leben, dass Familien sich zum Beispiel bestimmte Medikamente, eine gute Ausbildung oder kulturelle Förderung nicht leisten können. Wir verorten Armut meistens in Ländern weit weg von uns. In unserer unmittelbaren Nachbarschaft aber leben Kinder, denen es an allem fehlt.
 

Viele gemeinnützige Initiativen und Projekte werben um die Gunst von Prominenten und anderen (Hoch-)Vermögenden. Wie schafft man es da herauszustechen?

Für eine Stiftung ist es wichtig, auf ihre Projekte und Themen aufmerksam machen zu können. Als Stiftung des Medienunternehmens Hubert Burda Media haben wir glücklicherweise gute Kontakte zu den Journalistinnen und Journalisten in den Redaktionen. Damit erreichen wir nicht nur die Leser, sondern auch prominente Personen, die sich für die gute Sache einsetzen möchten. Manche Stars haben zum Beispiel selbst Hilfsprojekte, für die sie Unterstützung suchen. Es gibt auch viele Prominente, die uns ihre Hilfe anbieten, weil sie ihre Bekanntheit oder finanziellen Möglichkeiten für einen guten Zweck einsetzen möchten. Wichtig ist es, als Stiftung transparent zu arbeiten, weil Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, hohe Ansprüche an die Organisation und deren Reputation haben.
 

Unter den derzeitigen Pandemie-Bedingungen ist es nur schwer möglich, ein Charity-Dinner oder eine Spendengala im klassischen Sinne durchzuführen. Welche auch für Promis attraktiven Formate nutzen Sie stattdessen? 

Seit Beginn der Pandemie haben wir an Konzepten gearbeitet, wie wir auch ohne Events weiter Spenden sammeln können. Mit der Kampagne unter dem Hashtag #BAMBIhilftKindern haben wir zum Beispiel im zweiten Lockdown auf unseren digitalen Kanälen verschiedene Formate mit Unterstützung unserer prominenten Partner angeboten, Livestreams auf Instagram, Hintergrundgespräche mit prominenten Paten, kleine Konzerte verbunden mit Spendenaufrufen auf YouTube, zum Beispiel von Tom Gregory und Sasha. Dabei war uns wichtig, unsere Spender aus möglichst vielen verschiedenen Zielgruppen anzusprechen, und dafür haben wir auch entsprechend Unterstützung bekommen – von Influencern, Schauspielern und Musikern. Die Prominenten haben uns dabei gerne unterstützt, weil sie auf die Situation von Kindern in Not aufmerksam machen wollten – aber auch, weil besonders Künstler auf diese Weise trotz der fehlenden Auftritte weiter den Kontakt zu ihrem Publikum aufrecht erhalten konnten.
 

Ihre Stiftung unterstützt eine ganze Bandbreite verschiedener Projekte für Kinder und Jugendliche. Nach welchen Kriterien wählen Sie Projekte aus, die Sie fördern?

Unser Fokus liegt auf der Unterstützung von eher kleinen, sehr oft ehrenamtlich getragenen Projekten, wo Menschen eine Idee haben, etwas für Kinder zu tun, denen es nicht gut geht. Ganz oft sind das Eltern oder Bekannte von Betroffenen, die sich zusammenschließen und dafür Unterstützung benötigen, Lehrer zum Beispiel oder Nachbarn. Dabei entstehen sehr oft neue, innovative Ansätze für Hilfe, die wir gerne fördern und aufbauen möchten. Wir unterstützen Projekte in drei Förderbereichen: gesundheitliches Wohlbefinden, soziale Teilhabe und Kinderschutz – und es ist uns wichtig, dass unsere Hilfe langfristig etwas verbessert. Dass also ein Kind auf seinem weiteren Lebensweg durch die Unterstützung profitiert, weil es zum Beispiel einen Schulabschluss machen und einen Beruf ergreifen kann. Und auch eine positive Auswirkung auf die Gesellschaft auf einer übergeordneten Ebene ist uns wichtig, um bestehende Probleme hoffentlich Stück für Stück verbessern zu können.

 

Patricia Riekel (Foto: Sabine Finger/Hubert Burda Media)
Foto: Sabine Finger/Hubert Burda Media
Patricia Riekel

 
Sie haben mit Ihrer Stiftung zahlreichen Kindern und Jugendlichen geholfen, ihnen viel Glück und Freude beschert – dabei haben Sie sicher auch so manches Schicksal kennengelernt. Wie hat Sie die Stiftungsarbeit als Mensch verändert?

Als wir die Stiftung gegründet haben, war mir ehrlich gesagt nicht so bewusst, wie viele Kinder in Deutschland echte Hilfe benötigen. Jedes fünfte Kind in Deutschland wächst in Armut auf. Etwa drei Millionen Kinder leiden an seltenen Erkrankungen, die kaum erforscht werden, und ein Drittel dieser Kinder stirbt deswegen schon vor dem fünften Lebensjahr. Diese Schicksale können niemanden kalt lassen. Das hat auch meinen Blick geschärft für das, was in unserem Land passiert, beziehungsweise eben nicht passiert. Ich habe daher das starke Bedürfnis, durch unsere Stiftung mitzuhelfen, solche Missstände zu beseitigen, mindestens aber zu mindern.

Wie haben sich die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen in der Corona-Krise geändert? Haben Sie bei den Projekten, die Sie fördern, während der Pandemie neue Schwerpunkte gesetzt?

Durch die Pandemie haben sich die Verhältnisse von Kindern dramatisch verschlechtert, denen es vorher schon schlecht ging, bei denen die familiäre Situation angespannt ist, die Wohnverhältnisse schwierig, das Geld knapp, die kulturelle Teilhabe gering. Dazu kam, dass Kinder, die beim Lernen Schwierigkeiten haben, durch das Homeschooling noch weiter abgehängt werden. Hier möchten wir etwas entgegensetzen. Deswegen haben wir uns seit Ausbruch der Pandemie verstärkt darauf konzentriert, Bildungsprojekte zu unterstützen, damit Kinder, die es schwer haben, nun nicht komplett abgehängt werden. Ein zweiter Schwerpunkt ist die bestmögliche Versorgung von Kindern, die Gewalt erfahren haben und den Ausbau der Prävention in diesem Bereich. Dankenswerterweise haben die meisten der von uns unterstützten Projekte versucht, den Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen weiter zu halten, ihre Arbeit fortzusetzen und eine Anlaufstelle für Kinder und Jugendlichen zu sein, als alles andere geschlossen war. Eine Rückbesinnung auf das regionale Netzwerk und die lokale Unterstützung vor Ort waren dabei für viele sehr hilfreich.

Wenn Sie auf das zurückblicken, was Sie in mehr als 20 Jahren mit TRIBUTE TO BAMBI für Kinder und Jugendliche erreicht haben: Worauf sind Sie am meisten stolz? Gibt es vielleicht ein bestimmtes Projekt, das Sie hervorheben möchten?

Stolz ist in meinen Augen leider nicht angebracht, ich finde es eher bedrückend, dass die Zahl der vernachlässigten Kinder und Jugendlichen seit Jahren weiter zunimmt. Aber ich bin sehr dankbar, dass in dieser ganzen Zeit immer wieder Unternehmen, Prominente und großzügige Privatpersonen unsere Stiftung unterstützt haben. Wir konnten dadurch über zehn Millionen Euro Spenden sammeln und damit etwa 160 Projekte unterstützen. Was mir besonders in Erinnerung geblieben ist: Der Verein Intensiv Leben e.V. in Kassel kümmert sich um Kinder und Jugendliche, die ständig beatmet werden müssen, die aber einen unglaublichen Lebenshunger haben – wie zum Beispiel Jasha, der sich nur über seine Augen mit seiner Umwelt verständigen kann, der trotzdem lernen und spielen will, wie jedes Kind. Und ich bin tief beeindruckt von den Eltern und Geschwistern, die sich mit so viel Liebe und Verzichtsbereitschaft um die Kinder kümmern.

 

Patricia Riekel (Foto: Michael Tinnefeld/Hubert Burda Media)
Foto: Michael Tinnefeld/Hubert Burda Media
Patricia Riekel (li.) mit Moderatorin Nazan Eckes bei der Gala "TRIBUTE TO BAMBI 2021"

 
Es ist nun fünf Jahre her, dass Sie sich – nach über 20 arbeitsintensiven Jahren als Chefredakteurin und Herausgeberin bei BURDA – ins Privatleben verabschiedet haben. Wie hat sich Ihr Verhältnis zur Stiftungsarbeit geändert, seit Sie beruflich nicht mehr so eingespannt sind wie früher?

Ganz einfach ausgedrückt: Ich habe jetzt mehr Zeit, mich für die Stiftung zu engagieren. Es gibt keine Ausrede mehr. Das führt auch dazu, dass mich die Schicksale der Kinder und Jugendlichen intensiver beschäftigen und berühren.
 

In Ihrem kürzlich erschienenen Buch "Wer bin ich, wenn ich nichts mehr bin?" haben Sie Ihren Schritt in den Ruhestand mit viel Selbstironie verarbeitet. Hatten Sie wirklich den Eindruck, am Ende des Arbeitslebens überflüssig zu sein? Inwiefern hat Ihnen die Stiftungsarbeit dabei geholfen, einen neuen Fokus zu finden? 

Mit dem Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, müssen sich viele Menschen auseinandersetzen, die in den Ruhestand eintreten. Aber eine ehrenamtliche Tätigkeit kann einem das Gefühl schenken, eine Aufgabe zu haben, für andere da sein zu können, und das bedeutet, dass man auch weiterhin gebraucht wird. Im Ruhestand geht es nicht mehr darum, dass sich etwas rentiert, sondern dass es einen persönlich bereichert.

Blicken wir in die Zukunft: Was haben Sie sich für die kommenden Jahre für die TRIBUTE TO BAMBI Stiftung vorgenommen? Wird es neue, vielleicht digitale Spenden-Formate geben? Oder wollen Sie thematisch neue Schwerpunkte setzen?

Die Gegenwart bereitet mir gerade mehr Sorgen als die Zukunft. Die aktuelle Situation ist für uns Erwachsene beängstigend, aber noch mehr für Kinder. Wie viele Ängste löst das Thema Krieg bei ohnehin verunsicherten Jugendlichen aus? Ich glaube, dass ganz neue Herausforderungen auf uns zukommen werden. Was sich mit Sicherheit in Zukunft verschärfen wird: dass Kinder noch viel mehr unsere Hilfe brauchen werden, die vom kulturellen Leben abgehängt sind, die zu Hause aus unterschiedlichen Gründen nicht die Förderung bekommen, die sie benötigen, um zu selbstbewussten Menschen heranzuwachsen, oder die durch Herkunft, Religion und Krankheiten benachteiligt sind.
Natürlich werden wir die Arbeit der Stiftung digital ausweiten, aber andererseits hoffe ich sehr, dass es wieder möglich sein wird, auch Veranstaltungen mit Gästen auszurichten, weil man mit einem Event das Schöne mit dem Nützlichen verbinden kann: Gut gelaunt Gutes zu tun.
 

Welchen Tipp können Sie jemandem geben, der entweder über viel Geld oder ein vermögendes/einflussreiches Netzwerk verfügt und der jetzt anfangen will, Gutes zu tun? Welche "Anfängerfehler" sollte man vermeiden?

Ich finde es wichtig, nicht nur einmal großzügig zu sein, sondern möglichst langfristige Hilfe anzubieten. Mitgefühl sollte dabei nicht der einzige Wegweiser sein. Ich finde es wichtig, dass dort, wo um Hilfe gebeten wird, auch transparent berichtet wird, was mit dem Geld geschieht. Die TRIBUTE TO BAMBI Stiftung etwa versucht, konkret und ganz gezielt zu helfen. Wir finanzieren zum Beispiel Stellen von Sozialpädagogen oder Krankenpflegern, Spezialausstattung wie Rollstühle, oder verschiedene Freizeitangebote, von Mittagessen bis Nachhilfe zu Theatergruppen oder Sportunterricht, die positive Auswirkungen haben. Denn Hilfe, auch wenn sie noch so gut gemeint ist, sollte nicht versickern, sondern sollte immer praktisch und konkret sein.
 

Frau Riekel, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch!