Ashis Nandy, Jahrgang 1937, ist einer der bekanntesten Psychologen, Psychoanalytiker und Soziologen Indiens. Er – selbst in der indischen postkolonialen Kultur verwurzelt – setzt sich mit dieser seit Beginn seiner Karriere kritisch auseinander und bearbeitet dabei vielfältige Felder sozial- und kulturwissenschaftlicher Forschung innovativ und interdisziplinär. Besondere Akzente setzte er etwa, indem er westliche Theorietraditionen zur Analyse nichtwestlicher Kontexte verwendete. Im Ergebnis erreichte er dadurch sowohl fruchtbare Analysen der indischen Gesellschaft und ihrer nachwirkenden Kolonialerfahrungen als auch eine Stärkung der Psychoanalyse – wies er doch deren Potenzial auf, auch nichtwestliche Lebensformen und Befindlichkeiten zu untersuchen.
Ashis Nandys akademische Karriere ist eng mit dem Centre for the Study of Developing Societies (CSDS) in Neu-Delhi verbunden, dem er in den 1990er Jahren als Direktor vorstand und heute als Senior Honorary Fellow angehört. Die internationale Reichweite seiner Arbeit zeigt sich unter anderem in Fellowships an verschiedenen Universitäten in den USA, Großbritannien und Deutschland sowie in der Übernahme des ersten UNESCO-Lehrstuhls am Zentrum für europäische Studien der Universität Trier im Jahr 1994. Das Magazin Foreign Affairs zählte ihn 2008 zu den 100 weltweit wichtigsten öffentlichen Intellektuellen. Zeitlebens setzt sich Nandy engagiert für Menschenrechte und das Überleben von Kulturen ein.
Sein Werk "The intimate enemy" ist unter dem Titel "Der Intimfeind: Verlust und Wiederaneignung der Persönlichkeit im Kolonialismus" in deutscher Sprache erschienen. Weitere wichtige Publikationen des Preisträgers sind "The savage Freud and other essays on possible and retrievable selves" und "Time Treks: The uncertain futures of old and new despotisms".