Ein Tochterunternehmen des Stifterverbandes Alle Seiten

Ein Tochterunternehmen des Stifterverbandes

Rechtliche Rahmenbedingungen und Allgemeines Gleichstellungsgesetz

ÜBERBLICK ÜBER DIE RECHTLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN DES DIVERSITY MANAGEMENTS

Diversität und Stiftungen – Teil 3

Beitrag von Marie-Alix Ebner zu Eschenbach und Anke Fischer-Appelt

Die Offenheit und Wertschätzung gegenüber der Vielfalt, die die Arbeit des Diversity Managements prägt, ist in Form von Gleichstellungsgeboten und Diskriminierungsverboten ein Menschenrecht, das in internationale und europäische Konventionen sowie in das Grundgesetz Eingang gefunden und als solches in Europa und Deutschland Verfassungsrang erworben hat. Und es sind nicht nur die Menschenrechte und Rechte von Verfassungsrang, die uns antreiben sollten. Wir alle haben die gesellschaftliche Verpflichtung und den Auftrag, in unserer Arbeitswelt Anerkennung, Wertschätzung und Diversität zu fördern, um diese Ziele zu erreichen. Vielfalt hilft nicht nur, bessere und innovative bedarfsorientierte Lösungen für unsere Organisationen sowie die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leichter zu finden, sondern auch unsere Zielgruppen besser zu erreichen.

Um zu den rechtlichen Ursprüngen zurückzukommen: Eine der ersten Regelungen dieser Art wurde nach dem Zweiten Weltkrieg am 10. Dezember 1948 mit der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN verabschiedet. Art. 2 stellt unter anderem fest: "Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand." Flankiert wird dies durch Art. 7, der klarstellt: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. Alle haben Anspruch auf gleichen Schutz gegen jede Diskriminierung, die gegen diese Erklärung verstößt, und gegen jede Aufhetzung zu einer derartigen Diskriminierung."

Ähnliche Regelungen finden sich auch in Art. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention, Art. 13 des Amsterdamer Vertrages, sowie Art. 3 des Grundgesetzes.

Fälle, wie zum Beispiel die Entscheidung des EuGH, dass gleichgeschlechtliche Lebenspartnerinnen und Lebenspartner den gleichen Anspruch auf Zusatzrente gegenüber der hamburgischen Versorgungskasse haben wie heterosexuelle Ehepaare (1), oder die vom EuGH und in der Folge vom BAG für unwirksam erklärte Kündigung des wiederverheirateten Chefarztes eines katholischen Krankenhauses (2) zeigen, dass sich Betroffene heutzutage effektiv gegen Diskriminierungen vor nationalen und europäischen Gerichten zur Wehr setzen können.

Die für das Diversity Management in der Praxis bedeutsamste rechtliche Regelung in Deutschland ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das der Umsetzung von vier Europäischen Richtlinien aus den Jahren 2000 bis 2004 dient und am 16. August 2006 in Kraft getreten ist.

Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Schwerpunkt des AGG ist der Schutz der Beschäftigten vor Diskriminierung. Neben einem Benachteiligungsverbot mit Ausnahmeregelungen sowie einem Belästigungsverbot, das sexuelle Belästigungen mit umfasst, erlegt das AGG Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Organisationspflichten auf. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten zum Schutz vor Benachteiligungen und Belästigungen Rechte (Beschwerderecht, Leistungsverweigerungsrecht) und Ansprüche bei Verstößen (Entschädigung, Schadensersatz). Der Schutz beginnt bei der Stellenanzeige und bezieht sich auf alle Bereiche des Arbeitsverhältnisses.

Für Stiftungen, die über eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügen, sollte der im AGG verankerte Schutz vor Benachteiligungen und Belästigungen nicht nur als Verpflichtung wahrgenommen werden, sondern auch als Auftrag. Mit Hilfe eines klugen Diversity Managements können Stiftungen nicht nur die Verpflichtung umsetzen, vorbeugend Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen zu treffen (§ 12 AGG), sondern Innovation ermöglichen und Engagement stärken.

Ein besonders intensiv diskutiertes Thema im Zusammenhang mit dem im AGG normierten Benachteiligungsgebot ist die Frage, ob eine rechtliche Pflicht zur genderinklusiven Schreibweise in der Organisationskommunikation besteht. Diese ist aufgrund der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur geschlechtergerechten Sprache in AGB und Formularen (3) und des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des Dritten Geschlechts vor Diskriminierungen aufgekommen (4).

Grundsätzlich besteht aufgrund der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs derzeit keine rechtliche Pflicht zur genderinklusiven Schreibweise in der allgemeinen Organisationskommunikation. In der arbeitsrechtlichen Kommunikation (Stellenausschreibungen, betriebliche Vereinbarungen, Weisungen etc.) hingegen ist auf eine AGG-konforme genderinklusive Ansprache rechtlich zu achten. So ist zum Beispiel im Bewerbungsverfahren das Dritte Geschlecht aufgrund des im AGG verankerten Prinzips der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung einzuhalten.

(1) EuGH Urteil vom 10.05.2011 C 147/08
(2) EuGH Urteil vom 11.09.2018 C- 68/17, BAG Urteil vom 20.02.2019 AZR 746/14
(3) BGHE vom 13.08.2018 VI ZR 143/17
(4) BVerfGE vom 10.10.2019 1 BvR 2019/16

 

Empfehlungen: Wer kann was tun?

In erster Linie ist es Aufgabe des Personalmanagements, Benachteiligungen und Belästigungen durch vorbeugende Maßnahmen zu vermeiden bzw. dort, wo sie entstehen können, proaktiv entgegenzuwirken bzw. diese abzustellen. Gleichzeitig muss sich das Personalmanagement bewusst sein, dass nicht jede Benachteiligung automatisch einen Verstoß gegen das AGG darstellt. Vielmehr lässt das AGG in §§ 8-10 ausdrücklich Ausnahmen zu.

Grundsätzlich empfiehlt es sich, Vorkehrungen für eine diskriminierungsfreie Personalauswahl (Stellenanzeigen, Vorstellungsgespräche) zu treffen sowie in einem Verhaltenskodex für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Leitlinien für unerwünschte Verhaltensweisen zu entwickeln, die das Benachteiligungs- und das Belästigungsverbot in der alltäglichen Arbeit, wie zum Beispiel auch der arbeitsrechtlichen Mitarbeiterkommunikation, konkretisieren. Dabei kommt es nicht nur darauf an, Regeln zu erstellen, sondern gerade auch eine Organisationskultur, die Vielfalt fördert, zu leben. Führungskräfte dienen hierbei als Vorbild, so dass diese sich zusätzlich zu einem gemeinsamen diversitygerechten Führungsverständnis verpflichten sollten, das durch regelmäßige 360-Grad-Feedbacks unterstützt wird und sich in ihren Jahreszielen widerspiegelt. Soweit es zu Verstößen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie von Führungskräften gegen das Benachteiligungs- und das Belästigungsverbot kommt, müssen diese effektiv geahndet werden.

Nicht vergessen werden sollten die vorgeschriebenen regelmäßigen Schulungen bzgl. der Regeln des AGG. Diese können zum Beispiel im Rahmen von Mitarbeiterversammlungen oder Sicherheitsunterweisungen erfolgen.

Die Art und Weise, wie die gesetzlich vorgeschriebene Etablierung einer Beschwerdestelle und eines Beschwerdeverfahrens nach § 13 AGG ausgestaltet wird, sollte sich nach der Größe und dem Bedarf der Stiftung richten. Als zuständige Beschwerdestelle können entweder konkrete Personen benannt werden, oder es kann eine eigens für das Beschwerdeverfahren zuständige Stelle einrichtet werden. Eine Verpflichtung, eine gesonderte Organisationseinheit zu schaffen, besteht nicht. In Betracht kommen kann für diese Aufgabe der Vorgesetzte oder auch die Personalabteilung. Besteht ein Betriebsrat, so ist die Einsetzung einer von Personalabteilung und Betriebsrat paritätisch zu besetzenden Beschwerdekommission empfehlenswert. Verfügt die Stiftung über ein Diversity Management, sollte der/die hierfür zuständige Mitarbeiter oder Mitarbeiterin nicht vergessen werden. Bei der Ausgestaltung ist letztlich entscheidend, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung ihr Beschwerderecht effektiv ausüben können.

Schließlich muss das Personalmanagement – soweit vorhanden – auch im Zusammenwirken mit den Betriebsräten darauf achten, dass Dienstanweisungen und Betriebsvereinbarungen benachteiligende Regelungen nach dem AGG vermeiden bzw. diskriminierungsfrei sind.

Im Hinblick auf die genderinklusive Ansprache sollte über deren Beachtung in der arbeitsrechtlichen Kommunikation hinaus auch im Rahmen der regulären Organisationskommunikationskultur berücksichtigt werden, dass die fehlende genderinklusive Sprache negative Auswirkungen auf die Stiftung als Organisation haben kann. Denn Sprache bringt Haltung zum Ausdruck. Die genderinklusive Sprache hat viele Vorteile für die Stiftung: Sie erhöht die interne und externe Glaubwürdigkeit der Stiftung durch einheitliche Kommunikation, welche sonst bei AGG-konformer arbeitsrechtlicher Kommunikation einerseits und allgemeine Organisationskommunikation ohne Genderinklusivität andererseits leiden könnte. Zudem ist sie Ausdruck der Fairness und des Stellenwertes der Menschenrechte in der Organisationskultur, hat gesellschaftliche Vorbildfunktion, zeigt aktive Wertschätzung gegenüber allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und lässt die Stiftung last but not least als Arbeitgeber an Attraktivität gewinnen.

 

Die Autorinnen

Marie-Alix Ebner zu Eschenbach (Foto: Vanessa Nicette)

Marie-Alix Ebner zu Eschenbach
Rechtsanwältin, zuvor Bundesverband Deutscher Stiftungen

Foto: Vanessa Nicette

Anke Fischer-Appelt (Foto: Jan Tepass)

Anke Fischer-Appelt
Leiterin des Bereichs "Personal und Recht" im Stifterverband

Foto: Jan Tepass