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Es braucht Durchhaltevermögen und Standhaftigkeit

12.06.2022

Schon vor dem Ruhestand hat der frühere Liqui-Moly-Chef Ernst Prost viel Energie in seine Stiftungsarbeit investiert. Im Interview erklärt er, wie beherzt er Unternehmertum definiert, was ihn in seiner Rolle als Stifter antreibt und dass es bei der Hilfe für die Menschen der Ukraine auf Durchhaltevermögen und Standhaftigkeit ankommen wird.

Herr Prost, ob als streitbarer Unternehmer, der für seine Mitarbeiter eintritt, oder jetzt als leidenschaftlicher Stifter, der sich in der Ukrainehilfe engagiert, Ihr Motto scheint es zu sein, auf jeder Stufe und in jeder Rolle Ihres Lebens volle Verantwortung zu übernehmen. Wie kommt es dazu und was bedeutet das für Sie? 
Streitbarer Unternehmer, leidenschaftlicher Stifter – es ist schon lustig, welche Etiketten mir aufgeklebt werden. Bunter Hund und roter Kapitalist war auch schon zu lesen. Ich halte mich für einen stinknormalen Menschen, der nichts anderes macht, als zu versuchen, sein Bestes zu geben. Wenn ich sage, ich will nicht als Arschloch sterben, sondern in meiner Lebensspanne etwas dazu beitragen, dass die Welt ein kleines bisschen besser wird und dass manch einem Mitmenschen, dem es nicht so gut geht wie mir, geholfen wird, so spiegelt dies nur eine normale Verhaltensweise normal sozialer Menschen wider. Ist es denn wirklich so bemerkenswert, wenn sich Starke um Schwache kümmern? Jede Religion, jede Zivilisation, alle Schriften über das Menschsein legen uns Menschen genau solch eine Verhaltensweise der Verantwortlichkeit und der Nächstenliebe ans Herz.

Kann es sein, dass dieses normale Menschsein von einem an und für sich unnormalen Egoismus unserer Zeit übertönt wird, und es deshalb zu solchen Fragen kommt? Mit dem Krieg in der Ukraine, Corona und dem Klimawandel haben wir inzwischen den Zustand sich überlappender Krisen erreicht. Der Staat federt seit der Lehman-Pleite 2008 in bewährter Weise die Auswirkungen solcher exogenen Schocks auf die Wirtschaft mit massiven Interventionen ab. Sie sehen dagegen mehr die Unternehmen in der Pflicht?
Was heißt denn Unternehmer? Genau, etwas unternehmen und nicht warten, dass einem geholfen wird. Ich sehe nicht die Unternehmen in der Pflicht, sondern ich sehe die Chancen für freies Unternehmertum – gerade in Krisen. Wenn wir unser System der freien und sozialen Marktwirtschaft aber so umbauen, dass wegen jedes Kriselchens nach Väterchen Staat gerufen wird, haben wir verloren. Irgendwas ist immer. So war es immer schon und so wird es in Zukunft auch sein. Die Krisen und die Chancen kommen und gehen. Wollen wir wirklich einen Staat und ein Wirtschaftssystem, das jedem, der nur laut genug schreit und jammert, mit Steuergeldern hilft, sein Geld zu verdienen? Handel ist Wandel. Nur wer sich anpasst, überlebt. Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit. All diese Weisheiten haben einen wahren Kern. Von Subventionen und staatlicher Unterstützung krisengebeutelter Unternehmen habe ich in diesem Zusammenhang noch nichts gehört. Ja, der Markt kann manchmal grausam sein. So wie die Natur auch. Wer überleben will, muss sich anpassen, kämpfen und Stärke zeigen. Nur starke und gesunde Unternehmen finden ihre Märkte, machen ihr Geschäft und sind in der Folge dann auch in der Lage, über Steuern und Sozialabgaben ihre sozialen Verpflichtungen zu erfüllen. Die Starken unterstützen? Nein. So macht man auch aus Starken mit der Zeit Schwache. Wenn wir die Schwachen der Gesellschaft stützen wollen, brauchen wir eine starke Wirtschaft. Und eine Wirtschaft ist auf lange Sicht gesehen nur stark, wenn sie sich selbst überlebensfähig macht und nicht am Subventionstropf hängt.

Ernst Prost (Foto: Michael Schulz/Ernst Prost Stiftung)
Foto: Michael Schulz/Ernst Prost Stiftung

Krisen können Innovationen befördern und Kräfte freisetzen. Sehen Sie derzeit Bereiche, in denen das bereits passiert?
Ganz genauso ist es. Wir reden immer von Krisen und pflegen die Angst davor. In Wahrheit geht es doch nur um Veränderungen, die wir Menschen zugegebenermaßen nicht sehr schätzen, aber denen wir uns stellen müssen. Die Menschheit wird sich auch in Zukunft weiterentwickeln. Wir werden die Fehler der Vergangenheit hoffentlich in Zukunft nicht mehr wiederholen und so durch nachhaltiges und umweltschonendes Wirtschaften und Leben auf diesem Planeten neue Verfahren und Technologien entwickeln, was wiederum zu neuen Aufgaben und Herausforderungen führt - womit natürlich neue Geschäfte und neue Arbeitsplätze verbunden sind. Da muss man sich halt ein bisschen frisch im Denken und im Handeln machen und nicht am Alten hängenbleiben. Diese pioniergeistige Aufbruchstimmung ist mittlerweile leider Gottes nicht mehr so unser Ding in Deutschland.

Sie haben sich für Ihr gesellschaftliches Engagement bewusst für das Stiftungsmodell entschieden. Was können Ihren Erfahrungen nach Stiftungen besser als der Staat? 
Unser lieber Staat hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ganz stark zu einem Verwaltungsmonster und zu einem Bürokraten-Gebilde verändert – ähnlich einem schwarzen Loch, aus dem keine Energie mehr kommen kann. Vergleiche ich unser Land mit anderen Ländern, so sehe ich sehr wohl die Notwendigkeit für Regeln, Vorschriften und Gesetze und natürlich die Überwachung derselben. Man kann aber auch alles übertreiben, und genau das haben wir mit deutscher Gründlichkeit getan. Deshalb dauert alles brutal lange, und Chancen können nicht mehr genutzt werden, weil der Amtsschimmel länger wiehert als notwendig. Jahrzehntelange Genehmigungsverfahren, Behörden-Marathon, meterhohe Bürokratie-Hürden und, und, und. So wird das natürlich nichts mit der Wettbewerbsfähigkeit in einer schnelllebigen, globalisierten Wirtschaft. Bis wir alle Stempel und Unterschriften zusammen haben, haben die Amis und die Chinesen den Markt schon lange für sich erobert. Frei von jeder Naivität muss man nämlich erkennen, dass wir auch in einem globalen Wettbewerb der Nationen bestehen müssen. Und vor diesem Hintergrund kann eine Stiftung natürlich sehr viel schneller, zielgenauer und auch unkonventioneller aktiv werden als der Staat.

Ernst Prost (Foto: Michael Schulz/Ernst Prost Stiftung)
Foto: Michael Schulz/Ernst Prost Stiftung

Erzählen Sie uns ein wenig von Ihrem Einsatz in der Ukrainehilfe. Was genau machen Sie, und vor welchen Problemen stehen Sie? 
Da gibt es nicht viel zu erzählen. Irgendwie ist es uns gelungen, jede Menge positive Kräfte zu bündeln und gleichgesinnte Menschen zusammenzubringen, die allesamt helfen wollen. Und so haben wir von Menschen mit Geld knapp zweieinhalb Millionen Euro eingesammelt. Andere Menschen mit guten Kontakten haben medizinisches Material und Medikamente eingekauft und dieses zusammen mit weiteren Menschen in die Ukraine dorthin gebracht, wo es benötigt wird. Natürlich helfen mir bei solchen Übungen meine geschäftlichen Kontakte und auch meine Arbeitsweise. Aber im Grunde war es der gute Wille sehr vieler Menschen, die zu dieser herausragenden Leistung geführt haben. Den Löwenanteil bei dieser Aufgabe hat aber meine Frau Kerstin Thiele vollbracht. Das war halt auch ein Einsatz Tag und Nacht – und das ist es immer noch.

Erwarten Sie, dass Deutschland bald kriegsmüde werden könnte und die Spenden einbrechen?
Ach Gottchen, wie kann man denn nach ein paar Wochen bereits von Kriegsmüdigkeit sprechen? Dieser Krieg, der ja nicht uns, sondern vor allem die Menschen in der Ukraine belastet, wird noch ein paar weitere Monate gehen. Natürlich braucht es hier Durchhaltevermögen und Standfestigkeit. Dies gilt auch für unsere Arbeit mit der Stiftung und unsere schon beschriebenen Aktivitäten. Wenn wir den neu aufgeflammten Imperialismus und Nationalismus Russlands, der sich in einem Angriffskrieg zeigt, einen Riegel vorschieben wollen, müssen wir langfristig alle Kräfte mobilisieren, um diesen Aggressor, der andere Völker überfällt, zu stoppen. Und wenn es Monate und Jahre dauert, dann dauert es eben Monate und Jahre.

Sie betreiben auch die Ernst Prost Foundation for Africa. Dem Kontinent droht wegen des Krieges in der Ukraine eine dramatische Hungersnot. Braucht das Thema mehr Aufmerksamkeit? 
Afrika war, ist und bleibt, so fürchte ich, das Armenhaus unserer Welt. Und auch dieser Krieg trifft wie jeder Krieg die Ärmsten. Die Ärmsten in der Ukraine und in der Auswirkung des Krieges aufgrund der zerstörten Nahrungsmittelexporte auch die Ärmsten in Afrika. Die Ukraine ist eine Kornkammer dieser Welt. Wenn Getreide verrottet oder sonstwie mutwillig zerstört wird, um sich Kriegsvorteile zu verschaffen, dann trifft es nicht uns in Deutschland, sondern die Menschen, die dieses Getreide essen müssen, um nicht zu verhungern. Die wievielte Hungersnot in Afrika ist dies? Wenn wir diese Welt zu einer besseren machen wollen, haben wir gerade in Afrika alle Hände voll zu tun. Deshalb engagieren wir uns seit vielen Jahren mit meiner zweiten Stiftung vor Ort. Ganz pragmatisch - Nahrung, sauberes Wasser, medizinische Versorgung, aber auch Bildung für die Menschen bereitstellen. An Afrika kann sich die erste Welt beweisen, ob sie auch für die sogenannte Dritte Welt ein Herz hat oder nur für sich selbst.

Sie haben Popikone Sting dazu bewegt, seinen Song „Russians“ neu aufzunehmen. Die Einnahmen daraus gehen an Ihre Stiftung. Wie lief der Kontakt mit ihm?
So war das nicht. Das war nicht meine Idee. Sting kam über unsere ukrainischen Freunde von selbst auf uns zu und ist einer von vielen Spendern aus der ganzen Welt, die mit uns und über uns den Menschen in der Ukraine helfen wollen.