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Einfluss der Ernährung auf das Gehirn und in der Onkologie

Einfluss der Ernährung auf das Gehirn und in der Onkologie

Die Ernährungstherapie erlangt einen zunehmenden Stellenwert in der Medizin – allerdings mit heterogenen Konzepten und teils stark unterschiedlicher Evidenzlage. Mit ihrer Forschungsplattform möchte die Carstens-Stiftung dazu beitragen, die Evidenz zu verbessern, damit Patientinnen und Patienten in der Versorgung von nachweislich wirksamen Ansätzen profitieren können. Die Carstens-Stiftung fördert zwei Projekte mit 700.000 Euro: Ein Team um Dr. Ruth Hanßen, Uniklinik Köln, untersucht, ob traditionelle Kost die durch anhaltenden Fastfood-Konsum verursachten Gehirnveränderungen rückgängig machen kann. Ein Team um PD Dr. Maximilian Storz, Universitätsklinikum Freiburg, prüft lacto-ovo-vegetarische Ernährung als Therapiebaustein bei Pankreaskarzinom.
 

17. November 2025

 

Sind durch Fastfood verursachte Gehirnveränderungen reversibel?

Es geht schnell und ist bequem: Fastfood und hoch-prozessierte Fertigprodukte sind ständig verfügbar, weisen allerdings einen hohen Fett- und Zuckeranteil bei nur wenig Mikronährstoffen auf (sogenannte NOVA-Gruppe-4-Lebensmittel). Eine solche Ernährung führt nicht nur zur Gewichtszunahme, sondern erschreckenderweise auch zu Veränderungen im Gehirn. Betroffen ist unter anderem das mesolimbische System, das verantwortlich ist für die Steuerung unseres adaptiven Verhaltens – für das Erlernen von Assoziationen, für Motivation und Belohnung sowie für die Anpassung von Entscheidungen an Bedürfnisse und Gegebenheiten. Funktionseinschränkungen in diesem System können nicht nur die "Sucht" nach Fertigprodukten begünstigen, sie sind ebenfalls assoziiert mit psychischen Erkrankungen, von Antriebsminderung bis hin zur Depression.

Bislang ist nicht untersucht, ob durch traditionelle Lebensmittel ohne industrielle Verarbeitung die Gehirnveränderung wieder normalisiert werden kann, weil nicht zwischen Effekten der eigentlichen Ernährungsumstellung und einer damit verknüpften Gewichtsreduktion unterschieden werden konnte.

 

Traditionelle Ernährung ohne NOVA-4-Lebensmittel

Dr. Ruth Hanßen und ihr Team von der Uniklinik Köln werden diese Forschungslücke schließen und damit eine neue Evidenzgrundlage zur Prävention und Therapie psychischer Erkrankungen mittels Ernährung legen. Insgesamt 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Übergewicht (BMI zwischen 25 und 35) sollen in die Studie eingeschlossen werden, 40 Menschen mit hohem Konsum an NOVA-4-Lebensmitteln (>45 Prozent des täglichen Energiekonsums) und 20 Menschen mit niedrigem Konsum (<25 Prozent). Es soll drei Studienarme geben: Die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit hohem NOVA-4-Konsum wird über acht Wochen eine individuell angepasste Umstellung auf traditionelle Lebensmittel durchführen und vollständig auf NOVA-4-Produkte verzichten. Die andere Hälfte sowie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit niedrigem NOVA-4-Konsum werden keine Ernährungsveränderung vornehmen und dienen als Kontrollgruppen. Das Körpergewicht soll über die Studiendauer in allen drei Gruppen gehalten werden.

Zur Messung der Funktion des mesolimbischen Systems werden jeweils zu Beginn und nach den acht Wochen zwei Aufgaben durchgeführt. In einer wird das Lernen von Verknüpfungen untersucht. Dabei wird das Gehirn mittels MRT überwacht. In einer zweiten Aufgabe wird die Motivation untersucht. Psychische Faktoren, die ebenfalls unter der Beeinflussung des mesolimbischen Systems stehen, und die Lebensqualität werden mittels Fragebögen erfasst. Zusätzlich werden Bioproben genommen.

 

Lacto-ovo-vegetarische Ernährung bei Pankreaskarzinom

Es gilt heute als gesichert, dass das Zusammenspiel aus vermehrter Stoffwechselaktivität und unzureichender lokaler Durchblutung zu einer Ansammlung von Stoffwechselabfallprodukten führt, die für gesunde Zellen ungünstig ist. Der resultierende Säurestress fördert die Instabilität gesunder Zellen und erhöht deren Entartungsrisiko. Anders ausgedrückt: Chronisch erniedrigte pH-Werte (sog. Acid Stress) und anaerober Stoffwechsel begünstigen die Bildung und das Wachstum von Tumoren. Ein zentrales Element, das Einfluss auf den Säure-Basen-Haushalt hat, ist die Ernährung. Somit könnte sie ein wertvoller Baustein in der Prävention und Therapie von Krebserkrankungen sein – insbesondere solchen, bei denen außer der chirurgischen Tumorentfernung noch keine vielversprechenden kurativen Ansätze existieren. Hierzu zählt das Pankreaskarzinom.

Das Projekt von PD Dr. Maximilian Storz, Universitätsklinikum Freiburg, setzt dort an. Unterstützt wird er unter anderem von Prof. Dr. Roman Huber, ebenfalls Universitätsklinikum Freiburg, und Dr. Alvaro Ronco, einem der führenden Krebsepidemiologen Lateinamerikas und dem langjährigen Leiter des Nationalen Krebsregisters in Uruguay. Aus der Forschung ist bekannt, dass der Anteil an sog. Basen- bzw. Säurenvorläufern in Lebensmitteln einen wichtigen Einfluss auf den pH-Wert hat. Aus ernährungsphysiologischer Sicht sind vor allem die Alkalisalze als Basenvorläufer (zum Beispiel Natrium- oder Kalziumcitrate) wertvoll, da bei deren Verstoffwechselung Protonen gebunden werden, was dem Säurestress entgegenwirkt. Alkalisalze finden sich hauptsächlich in Gemüse und Obst, während mit Fleischprodukten vor allem die ungünstigen Säurevorläufer aufgenommen werden. Aufgrund eigener Vorarbeiten halten PD Dr. Storz und Team daher die lacto-ovo-vegetarische Ernährung mit zusätzlicher Alkali-Versorgung als am besten geeignet für Krebspatientinnen und Krebspatienten.

Geplant ist eine randomisiert-kontrollierte Studie mit 85 Patientinnen und Patienten mit metastasiertem bzw. inoperablem Pankreaskarzinom. Zusätzlich zur onkologischen Standardtherapie erhalten die Teilnehmenden über einen Zeitraum von zwölf Monaten entweder die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und der Bayerischen Krebsgesellschaft empfohlene proteinreiche Ernährung (1,5 bis 2 g pro kg Körpergewicht) oder eine vegetarische Ernährung mit täglichem Proteinziel von 1,2 g pro kg Körpergewicht in Kombination mit Alkali-Supplementen (6 g/Tag). Ziel ist es, durch die Alkalisierung der Mikroumgebung des Tumors (sog. Tumor Microenvironment) das Ansprechen auf die onkologische Leitlinien-Therapie und damit die Prognose der Betroffenen zu verbessern. Primärer Zielparameter ist der Urin-pH; ebenso erfasst werden die kumulative Überlebenswahrscheinlichkeit, der Verlauf des Tumormarkers CA19-9 sowie die Auswirkungen auf die Lebensqualität, Angst und Depression.

Die Dauer beider Projekte ist auf drei Jahre angelegt, die Ergebnisse werden Anfang 2029 erwartet.

 

Die gemeinnützige Karl und Veronica Carstens-Stiftung wurde 1981 vom damaligen Bundespräsidenten und seiner Ehefrau gegründet. 40 Jahre nach ihrer Gründung ist die Carstens-Stiftung eine bedeutende Wissenschaftsorganisation auf dem Gebiet der Naturheilkunde und Komplementärmedizin und hat mit einer Fördersumme von 40 Millionen Euro über 300 Forschungsprojekte unterstützt. Sie setzt sich für die Verankerung von Naturheilkunde und Komplementärmedizin in der medizinischen Forschung und Patientenversorgung ein. Hauptaufgaben sind die Förderung wissenschaftlicher Forschung und des medizinischen Nachwuchses sowie die fundierte Aufklärung über Anwendung und Nutzen naturheilkundlicher und komplementärmedizinischer Verfahren.

 

Carstens-Stiftung