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Hilferuf aus dem Amazonas-Regenwald

Hilferuf aus dem Amazonas-Regenwald

Die Panguana Stiftung wurde 2014 gegründet, um ein privates Naturschutzgebiet im Regenwald aufzubauen und dort die älteste biologische Forschungsstation in Peru zu schützen. Jetzt stoßen illegale Goldschürfer auf das Gelände vor. Stifterin Juliane Diller ist vor Ort und spricht über die dramatische Situation.
 

6. November 2025

Liebe Frau Diller, die ersten Abholzungsbagger der Goldschürfer haben bereits das Gelände des Panguana-Naturschutzgebietes erreicht. Können Sie uns einen Einblick in die aktuelle Situation geben?

Inzwischen hat sich die Lage sogar leider verschärft. Bislang wurde das Gebiet der Panguana Stiftung immer respektiert. Nachdem aber außerhalb unseres Geländes bereits fast alle Uferbereiche des Río Yuyapichis, an dem unsere Forschungsstation liegt, ausgebeutet und verwüstet wurden, schielen die Goldwäscher nun begehrlich auf unsere noch unberührten Flussufer. Sie arbeiten seit Jahren illegal in der Region und haben sich nun mit unseren indigenen Nachbargemeinden zusammengetan und im nahegelegenen Nachbardorf einen ihrer Stützpunkte errichtet. So sind sie nun flussaufwärts, an der nächsten Flussbiegung oberhalb der Station, in die Uferbereiche Panguanas eingedrungen.

Darüber hinaus handelt es sich außerdem auch noch um Grenzteile des vom peruanischen Umweltministerium 2011 dauerhaft zum privaten Naturschutzgebiet deklarierten Geländes. Der ministerielle Erlass ist eigentlich ein wirksamer Schutz vor Eindringlingen, und es gelang uns in der Vergangenheit auch einmal, dadurch ein mitten im Schutzgebiet beantragtes Goldgräber-Claim annullieren zu lassen.

Nebenbei bemerkt befindet sich der Río Yuyapichis, und damit die gesamte dort von Goldwäschern beeinflusste Region, in der Pufferzone eines 660.000 Hektar großen kommunalen Reservates, der "Reserva Comunal El Sira". Laut Gesetz ist es auch in Peru verboten, in der Pufferzone eines nationalen Schutzgebietes die Umwelt zu zerstören ...

Angeblich wird in tieferen Bodenschichten jetzt viel mehr Gold gefördert als ursprünglich erwartet, bis zu fünf Kilo pro Hektar, manchmal auch mehr. Das ist beim stetig steigenden Goldpreis natürlich ein Vermögen. Selbst mitten im Fluss wird nun mit tiefgrabenden großen Maschinen das Unterste zuoberst gekehrt. Alle Flussbette gehören eigentlich dem peruanischen Staat, und ihre Zerstörung wird als Vernichtung einer Lebens- und Verkehrsader strafrechtlich verfolgt, jedenfalls noch bis vor kurzem. Zurück bleibt eine apokalyptische Mondlandschaft mit grünlichen und hellbraunen Tümpeln zwischen hohen Kiesaufschüttungen. Der ursprüngliche Verlauf des Flusses ist nicht mehr zu erkennen und reduziert sich auf ein trübes abwasserartiges Rinnsal, das am Ufer einen schmalen Kanal durchfließt. Häufige Regenfälle bescheren immer wieder Hochwasser, die bei dem stark veränderten Verlauf des Flusses zu gefährlichen Erdrutschen führen können.

Ohne jegliche Rücksicht werden die Gewässer mit Quecksilber vergiftet und mit dem Treibstoff der Bagger und Pickups, die jetzt sogar im Fluss fahren, verunreinigt. Die Vegetation der einst mit vielen verschiedenen Pflanzen bewachsenen Ufer wurde brutal umgenietet, die ohnehin im amazonischen Tieflandregenwald sehr dünne Humusschicht ist von den Tag und Nacht ohne Pause arbeitenden Baggerschaufeln unter sterilen Schotterhaufen verschüttet worden.

Der Fluss ist praktisch tot, die große Artenvielfalt in seinen Wassern verschwunden, und damit sind es auch die Fische, eine der wichtigsten Nahrungsquellen der lokalen Bevölkerung. Ein paar Reiher leben noch dort, sie haben erstaunlicherweise wohl ein robustes Verdauungssystem, aber sonst ist es biologisch gesehen ruhig am Río Yuyapichis geworden.

Pampas Verdes (2022)
Pampas Verdes 2022
Pampas Verdes (2025)
Pampas Verdes 2025

 
Der illegale Goldabbau wird durch steigende Goldpreise massiv angeheizt und ist besonders zerstörerisch, weil er die Regenwälder in Schlammwüsten verwandelt und laut peruanischem Umweltministerium bereits mehr als 3.000 Tonnen hochgiftiges Quecksilber, das zur Goldgewinnung genutzt wird, in die Flüsse gelangt ist. Warum greift die Regierung nicht stärker ein und welche Maßnahmen wären jetzt sofort notwendig, um die Naturschutzgebiete zu retten?

Die Goldwäscher bieten der lokalen Bevölkerung mittlerweile bis zu 40.000 peruanische Soles pro Hektar Land an, das sind etwa 10.000 Euro pro Hektar in einer Region, in der der Hektar normalerweise zwischen 700 und 1.000 Euro kostet. Da wird jeder schwach in einem Land, in dem derzeit fast ausschließlich der schnelle Gewinn zählt. Denn Panguana ist kein Einzelfall. In ganz Peru wird illegal Gold gewaschen und meist sogar mit Unterstützung zahlreicher höher angesiedelter Behörden und oft auch der Exekutive. Sogar in Perus bedeutendstem und international bekannten Nationalpark Manu, einer Touristenattraktion, ist vor kurzem eingedrungen worden. 

Nach dem Sturz der Präsidentin Dina Boluarte befindet sich Peru nun in einer noch zusätzlich verschärften Ausnahmesituation, der Notstand wurde vor wenigen Tagen ausgerufen. Bis zu den im April stattfindenden Neuwahlen stagnieren im Land die meisten administrativen Handlungsabläufe, und die Strafverfolgung illegaler Machenschaften wird eingefroren. Laut Pressemitteilungen besitzen die illegalen Goldwäscher im Kongress eine signifikante Mehrheit und versuchen nun auch, die anstehenden Neuwahlen zu manipulieren und zu dominieren. Unter diesen Voraussetzungen sieht es mit dem Naturschutz in Peru auch künftig extrem finster aus. 

Es müsste eigentlich jetzt von Militär und Polizei hart durchgegriffen werden, um die illegalen Goldsucher zu vertreiben bzw. zu verhaften. Doch Korruption durch alle Ebenen und ein schwerfälliger Verwaltungsapparat verhindern dies immer wieder, so dass auf Hilfe der nationalen Behörden vergeblich gewartet wird. Das Verhalten der Goldwäscher weist deutlich auf mafiöse Strukturen hin. Die oft hilfsbereite Staatsanwaltschaft ist machtlos, und auch eine Reihe anderer Behörden, die etwas unternehmen wollen, werden daran weitgehend gehindert. Wir haben es in letzter Zeit selbst immer wieder erlebt. Zudem besitzen die Goldschürfer ein sehr gut funktionierendes Informationssystem. Jedes Mal, wenn ein Einsatz der Kriegsmarine zusammen mit Polizei und Staatsanwaltschaft geplant ist, werden spätestens am Tag vor dem Einsatz alle Maschinen fortgefahren und versteckt, und die am Fluss arbeitenden Personen verschwinden spurlos, so dass beim Eintreffen der Truppen niemand mehr zur Verantwortung gezogen werden kann. Das war in diesem Jahr schon mindestens viermal der Fall.
 

Die Stiftung engagiert sich auch in Bildungs- und Gesundheitsprojekten mit lokalen Gemeinden. Wie ist die Bevölkerung von der Entwicklung betroffen?

Wir haben unsere benachbarten indigenen Asháninka-Gemeinden seit zwei Jahrzehnten immer wieder mit Schul- und Infrastrukturprojekten unterstützt und hatten zu ihnen ein gutes, harmonisches Verhältnis. Das hat sich leider durch den Goldwahn und die Aussicht auf schnellen Reichtum komplett geändert. Die örtliche Bevölkerung wandert offenen Auges ins Verderben. Sie alle haben ihr Gelände an die Goldwäscher verpachtet, auch ihre Kakao- oder Bananen- und Papaya-Plantagen sowie im Falle der Asháninka auch ihr Gemeinschaftseigentum. Und sie wissen, dass es vielerorts kein sauberes Trinkwasser mehr in der Region gibt und dass auch Tiere und Pflanzen sowie regionale Lebensmittel verseucht sind. Nachdem die Goldwäscher irgendwann abgezogen sein werden, stehen sie vor dem Nichts. Sie vermuten, dass sie dann ganz normal wieder Landwirtschaft betreiben können, doch der Boden dafür ist nicht mehr vorhanden. Nicht nur um Panguana herum, sondern auch beim flussaufwärts gelegenen Zentraldorf der Asháninka-Gemeinden ist der Fluss zerstört und damit auch die Lebensgrundlage der nachfolgenden Generationen.

Río Yuyapichis 2022
Río Yuyapichis 2022
Río Yuyapichis 2025
Río Yuyapichis 2025

Der Amazonas ist Herz und Lunge des Weltklimas und geht uns alle an. Laut aktuellem Global Tipping Points Report steht er jedoch kurz davor, einen irreversiblen Kipppunkt zu erreichen. Was können Stiftungen, Organisationen und Politik und Öffentlichkeit, was können wir alle tun, um Sie zu unterstützen?

Alle Stiftungen können helfen, national und auch international die prekäre Lage des Amazonasgebietes kurz vor dem irreversiblen Kipppunkt zu betonen und Handlungen zu seiner Rettung in letzter Sekunde zu verlangen. Besonders gefordert sind derzeit gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch einflussreiche Organe, die auf unsere und andere Regierungen einwirken können, um sie zum Handeln zu zwingen. Der Druck auf die peruanische Regierung muss wirtschaftlich und politisch von außen erfolgen. Die Androhung von Sanktionen kann hier helfen, doch die Hilfe muss schnell erfolgen, sonst ist es um die grüne Lunge und den Klimastabilisator Amazonasregenwald geschehen. Das konkrete Praxisbeispiel von Panguana und Umgebung ist dafür ein guter Aufhänger, der emblematisch die Dringlichkeit einer baldigen Lösung verdeutlicht.
 

Vom 10. bis 21. November 2025 findet die 30. Weltklimakonferenz am Tor des Amazonas im brasilianischen Belém statt. Haben Sie Hoffnung, dass dort konkret etwas erreicht wird?

Viel Hoffnung mache ich mir ehrlich gesagt leider nicht, zu kontrovers sind immer noch die verschiedenen Positionen vieler Länder, zu zögerlich die Entscheidungen. Wenn es wieder nur bei Absichtserklärungen und Zielumsetzungen in weiter Zukunft bleibt, wird auch die COP30 in Belém keinen Durchbruch bringen. Der Thematik des illegalen Bergbaus und der illegalen Goldwäscherei sollte auf jeden Fall viel mehr Bedeutung beigemessen werden als es bislang der Fall ist.
 

Eine letzte Frage: Die Goldschürfer scheuen auch vor Gewalt nicht zurück. Haben Sie manchmal Angst um sich und die Sicherheit der Forschenden und Mitarbeitenden vor Ort?

Wir sind inzwischen offen bedroht worden, unser Verwalter hat per WhatsApp Morddrohungen erhalten, und eine Übernahme unseres Geländes wurde angekündigt. Nachdem die Behörden sich nicht bewegten und auch der erbetene Personenschutz trotz Einsatz des Justizministeriums nicht gewährt wurde, sahen wir uns gezwungen, auf die Dienste eines privaten Sicherheitsunternehmens zurückzugreifen. So konnte die uns im Oktober begleitende Forschergruppe in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen, und wir alle sind wohlbehalten zurückgekehrt. Doch dies ist nur eine vorübergehende Notlösung, die weder die bestehende Problematik löst noch die permanente Bedrohung beendet. Daher bin ich sehr besorgt um das Wohl unserer Angestellten vor Ort.

Das Projektgelände der Panguana Stiftung umfasst aktuell etwa 2.500 Hektar. Rund 85 Prozent sind von Primärwald bedeckt und zum Glück weiterhin unangetastet. Die Zerstörungen beschränken sich auf einen Bereich, durch den der Fluss Yuyapichis fließt. Ihre Renaturierung wird trotzdem sicher lange dauern.

Doch Panguana beherbergt auch eine international anerkannte und zunehmend gern besuchte Forschungsstation, die es zu erhalten und auszubauen gilt. Es kann nicht sein, dass all das durch eine rücksichtslose, unverantwortliche und in ihrer Geldgier fast über Leichen gehende Gruppierung von nur auf Profit bedachten Umweltzerstörern gefährdet wird. Dagegen müssen wir unvermindert und ohne Zögern vorgehen, und wir hoffen auf zahlreiche Unterstützung und Aufrufe in den Medien und auf allen weiteren Ebenen.

Deutsche und peruanische Ministerien haben 2022 eine Klimapartnerschaft unterzeichnet, in der sich beide Länder unter anderem dazu verpflichten, das Amazonasgebiet zu erhalten und zu schützen. Auch auf die Umsetzung dieser bilateralen Verpflichtung und die große Verantwortung beider Partner sollte immer wieder hingewiesen werden!

 

Panguana

Panguana wurde von Maria und Hans-Wilhelm Koepcke, den Eltern Juliane Dillers, im Jahre 1968 gegründet. Mit dem Ziel das Ökosystem Regenwald zu erforschen, gehörten die beiden Biologen zu den Pionieren in diesem damals neuen Forschungsbereich. Auf sie geht auch der Name "Panguana" zurück, die Bezeichnung der Indigenen für den dort ansässigen Wellen-Tinamu, einen weit verbreiteten Waldvogel Südamerikas.
 
Juliane Diller, die im Jahr 2000 die Leitung der Forschungsstation übernahm, entwickelte Panguana zu einem integrierten Projekt, das Regenwaldschutz, naturwissenschaftliche Forschung und Förderung der indigenen Nachbar-Gemeinden umfasst. Um das Projekt für die kommenden Generationen zu sichern, gründete sie zusammen mit ihrem Ehemann Erich 2014 die Panguana Stiftung.
 
Juliane Dillers Einsatz für den Regenwald ist untrennbar mit ihrer Biographie verbunden. Im Jahr 1971 stürzte sie bei einem Flugzeugunglück aus 3.000 Metern Höhe über dem peruanischen Regenwald ab und überlebte als einzige von 92 Passagieren; die Kronen der Urwaldbäume federten ihren Sturz ab. Elf Tage schlug sich die verletzte Frau durch den Urwald – immer den Wasserläufen folgend – bis sie von Holzfällern gerettet wurde.
 
Das von ihren Eltern auf der Forschungsstation erworbene Erfahrungswissen über den Regenwald war maßgeblich für ihr Überleben. Ihre Geschichte wurde 2012 in dem Buch "Als ich vom Himmel fiel" veröffentlicht.
 
Website der Panguana Stiftung

Stifterin Juliane Diller auf der Jahresversammlung des Stifterverbandes 2019 (Foto: Peter Himsel)
Foto: Peter Himsel