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Bildung gestalten – Generationen verbinden

Röntgen-Schule Berlin (Foto: Tolga Aslan)
Röntgen-Schule Berlin (Foto: Tolga Aslan)

Bildung gestalten – Generationen verbinden

Die Schütt-Stiftung engagiert sich für den Dialog und Zusammenhalt der Generationen in einer sich wandelnden Gesellschaft. Auch in ihrem Einsatz für Bildung – diesen Bereich versteht sie als ein Schlüssel für ein gelingendes Miteinander – setzt sie auf starke Netzwerke und Kooperationen.

In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Stiftung&Sponsoring stellt die Stiftung ein Projekt an der Berliner Röntgen-Schule vor: Gemeinsam mit Partnern wurde hier ein Angebot für Jugendliche entwickelt, die vom Schulabbruch bedroht sind. Das Projekt baut Brücken in die Zukunft – und ist trotzdem in einer Sackgasse. Anstatt die Strukturen durch eine nachhaltige öffentliche Förderung zu sichern, droht das Ende.

 

Ausbildung/Bildung ist eine gesellschaftliche Aufgabe

In Deutschland bricht jeder vierte junge Mensch die schulische oder berufliche Ausbildung ab – mit gravierenden Folgen: für das individuelle Leben der Betroffenen im Sinne der Selbstbestimmung und Unabhängigkeit ebenso wie für die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes. Bildung ist damit weit mehr als eine private Angelegenheit – sie ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag.

Die Schütt-Stiftung steht für eine Kultur der gemeinsamen Verantwortung zwischen den Generationen. In unseren Projekten verbinden wir pädagogisches Fachwissen mit ehrenamtlichem Engagement älterer Menschen – in sogenannten Generationen-Werkstätten. Dabei bringen wir Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen, um neue Wege in der Bildungsarbeit zu gehen.

Als Stiftung verfolgen wir einen Netzwerkgedanken und sehen es als sinnvoll an, erprobte und erfolgreiche Projekte anderer Stiftungen weiter zu tragen, statt das Rad immer wieder neu zu erfinden. Vorbild für unsere Projektarbeit ist die Generationen-Werkstatt der Ursachenstiftung, die uns mit viel Know-How bei der Umsetzung unserer Bildungsarbeit unterstützt hat. Zusammen mit Akteuren der Röntgen-Sekundarschule in Berlin-Neukölln haben wir die Idee der ursprünglichen Generationen-Werkstatt weiterentwickelt und an die gegebenen Herausforderungen angepasst.

 

Innovativer Bildungsansatz: Langzeitpraktika und individuelle Begleitung

Die Generationen-Werkstatt an der Röntgen-Schule startete vor gut drei Jahren: Gemeinsam mit der Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH, dem Kurt-Löwenstein-Förderverein, sowie den Senior Expertinnen und Experten des SES Bonn und den Mentorinnen und Mentoren von "Senioren in School" begleiten wir seit 2022 ein Modellprojekt, das Jugendlichen neue Zukunftsperspektiven eröffnet. Denn Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss drohen oft völlig aus dem System zu fallen.

Die Kernidee ist ein doppelter Ansatz: Jugendliche, die im Regelunterricht scheitern, erfahren durch eine Kombination aus Langzeitpraktika, die ihre Talente sichtbar machen, und einer individuellen inklusionspädagogischen Begleitung Wertschätzung und erhalten eine neue Chance – sei es auf einen Schulabschluss oder einen alternativen Ausbildungsweg. 

 

Röntgen-Schule Berlin (Foto: Tolga Aslan)
Foto: Tolga Aslan
Die Röntgen-Sekundarschule in Berlin

Realität an der Brennpunktschule: Bedarf trifft auf Engagement

Die Röntgen-Schule steht exemplarisch für viele urbane Bildungseinrichtungen: 402 Schülerinnen und Schüler aus 34 Herkunftsländern, 98,7 Prozent mit Migrationsgeschichte, fast 90 Prozent aus Haushalten mit Transferleistungen. Viele bringen komplexe biografische Herausforderungen mit – soziale Schieflagen, psychische Instabilität, Bildungsferne. Diese Voraussetzungen führen immer wieder zu Schulabbrüchen.

Das Projekt schafft dank des großen Engagements des Röntgen-Schulteams mit Praxisklassen, Beratungsangeboten und einer inklusionspädagogischen Schulassistenz einen verlässlichen Rahmen, der Jugendlichen wieder Vertrauen in Bildungseinrichtungen, Struktur und neue Motivation gibt.

 

Die Rolle der Schulassistenz: nah, persönlich, wirksam

50 Schülerinnen und Schüler, die ohne Unterstützung kaum oder gar nicht mehr am Regelunterricht teilnehmen konnten, wurden in den vergangenen drei Jahren begleitet – mit enormem Erfolg: 95 % konnten Aggressionen abbauen, stabilisierten sich emotional und entwickelten neue Perspektiven.

Die inklusionspädagogische Schulassistenz – unterstützt durch Seniorinnen und Senioren, die sich viel Zeit für einzelne Jugendliche nehmen – spielt dabei eine zentrale Rolle: Sie begleitet die Jugendlichen eng – nicht nur im Unterricht, sondern in allen Lebensbereichen. Sie hilft ihnen, Strukturen zu entwickeln, Konflikte zu bewältigen, Selbstvertrauen aufzubauen und sich in Praktika zu beweisen. Ob Krisenintervention, Unterstützung im Alltag oder Motivation im Schulkontext – die Schulassistenz ist eine feste Bezugsperson, die Halt gibt und Wege aufzeigt. Auch Eltern werden aktiv einbezogen und fühlen sich entlastet.

 

Vom Abbruch zur Ausbildung

Der Schlüssel zum Erfolg sind Langzeitpraktika. In der Gastronomie, Kitas, Krankenhäusern, Friseursalons oder Kultureinrichtungen entdecken die Jugendlichen ihre Stärken – oft zum ersten Mal. So entstehen realistische Berufsperspektiven, auch ohne klassischen Schulabschluss.

 

Unverzichtbar, aber unterfinanziert

Die Generationen-Werkstatt zeigt eindrucksvoll, wie wichtig und wirksam niedrigschwellige und lebensnahe Bildungsformate sind. Doch obwohl die positiven Effekte deutlich sichtbar sind, droht dem erfolgreichen Projekt nun das Aus. So wurde das Modellprojekt bislang vollständig durch die Schütt-Stiftung und den Förderverein finanziert; eine langfristige Finanzierung durch öffentliche Mittel ist jedoch nicht in Sicht.

Gerade hier liegt ein systemisches Problem: Erfolgreiche Projekte geraten durch staatliche Kürzungen unter Druck, weil sie keine langfristige staatliche Finanzierung erhalten. Dabei beweist die Arbeit in Berlin-Neukölln, wie gut gezielte, generationenübergreifende Bildungsarbeit funktionieren kann.

 

Bildung ist eine Investition in die Zukunft

Wir verstehen das vorgestellte Projekt als gelebte Demokratie: Es schafft Teilhabe dort, wo Ausgrenzung droht. Es verbindet Generationen, Kulturen und soziale Gruppen in einer gemeinsamen Verantwortung. Und es zeigt: Stiftungen können eine Vorreiterrolle übernehmen, wenn es darum geht, neue Wege in der Bildung zu erproben – mit Wirkung weit über den Einzelfall hinaus. Doch langfristig müssen solche Bildungsprojekte durch eine staatliche Finanzierung gesichert werden. Bildung ist keine Ausgabe, sondern eine Investition in die Zukunft – eine, die sich für unsere gesamte Gesellschaft lohnt.
 

Der Beitrag erschien im Fachmagazin Stiftung&Sponsoring, Ausgabe 4/2025.

 

KURZ & KNAPP

Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss drohen oft völlig aus dem System zu fallen. Um dies zu verhindern, haben die Röntgen-Schule in Berlin, die Schütt-Stiftung, der Kurt-Löwenstein-Förderverein und die Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH im Jahr 2022 ein einzigartiges Modellprojekt gestartet. Sein Ansatz: Jugendliche, die im Regelunterricht scheitern, erhalten durch eine Kombination aus langfristiger beruflicher Praxis und individueller inklusionspädagogischer Begleitung eine neue Chance – sei es auf einen Schulabschluss oder einen alternativen Ausbildungsweg. Doch trotz erfolgreicher Pilotphase, die allein aus gemeinnützigen Mitteln finanziert wurde, steht das Projekt mangels einer langfristigen Kostenübernahme durch die öffentliche Hand vor dem Aus.

 


Die Autorinnen des Beitrags

Ute Schütt

Ute Schütt
Stifterin der Schütt-Stiftung

Sabrina Schütt

Mag. Sabrina Schütt
Mitglied im Kuratorium der Schütt-Stiftung, Klagenfurt

 

Stiftung&Sponsoring (Logo)

Als führende Grantmaking-Zeitschrift im deutschsprachigen Raum widmet sich Stiftung&Sponsoring dem gesellschaftlich wichtigen Feld gemeinnütziger Aktivitäten aus der Sicht der Stifter, Spender und Sponsoren, der Macher und Mitarbeiter: Mit viel Praxisorientierung und hoher fachlicher Kompetenz, national und international. Das Fachmagazin bietet Beiträge zu aktuellen Praxisthemen aus Stiftungsmanagement, Stiftungsrecht und Steuerrecht, Fördertätigkeit und Vermögensverwaltung, Marketing und Kommunikation, außerdem Interviews mit bekannten Persönlichkeiten, Branchennews und Rezensionen. Spezialdossiers zu aktuellen Themen sind in der regelmäßigen Fachbeilage "Rote Seiten" zu finden.

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