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Aktuelles aus den Stiftungen

Lebensqualität bei
Multipler Sklerose steigern

24.05.2024

Die Karl und Veronica Carstens-Stiftung fördert zwei Projekte mit insgesamt 720.000 Euro.

Prof. Dr. Tobias Esch von der Universität Witten/Herdecke evaluiert einen speziell entwickelten Gesundheitsförderungskurs, der Menschen mit Multipler Sklerose (MS) dabei helfen soll, ihre Selbstwirksamkeit zu erhalten oder zurückzuerlangen. Dr. Joanna Dietzel und Prof. Dr. Benno Brinkhaus von der Charité – Universitätsmedizin Berlin fokussieren sich in ihrer Studie auf Blasenstörungen als häufiges Symptom der MS. Sie prüfen, ob die elektrische oder manuelle Stimulation von Akupunkturpunkten die Kontrolle über die Harnblasenfunktion wiederherstellen kann.

Multiple Sklerose ist eine chronische entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems, die Hirn und Rückenmark umfasst. Verlauf und Beschwerdebild äußern sich individuell, weshalb MS auch als "Krankheit mit den 1.000 Gesichtern" bekannt ist. Zu den Symptomen zählen unter anderem Fatigue, Schmerzen und Einschränkungen der sogenannten Exekutivfunktionen, die das bewusste Steuern von Denken und Verhalten ermöglichen. Stress kann den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen, und heilbar ist MS leider nicht. Für Patientinnen und Patienten ist daher eine Reduktion der Symptome, das Verlangsamen der Krankheitsprogression und insbesondere die Erhaltung der Lebensqualität von enormer Bedeutung. Die Carstens-Stiftung fördert zwei Projekte, die genau hier ansetzen.

 

Mind-Body-Medizin-basierter Gesundheitsförderungskurs

Einzelne Interventionen der Mind-Body-Medizin haben sich bereits als effektiv für die Behandlung von MS-bedingten Beschwerden erwiesen, allerdings konzentrieren sich diese meist nur auf eine Säule der Lebensstilveränderung. Der von Prof. Dr. Tobias Esch entwickelte BERN-Kurs vereint alle Säulen miteinander – kognitive Verhaltensänderung (Behavior), Bewegung (Exercise), Entspannung (Relaxation) und Ernährung (Nutrition). Ziel ist der langfristige Aufbau widerstandsfördernder Ressourcen, die Entwicklung von Resilienz. BERN wird an der Universität Witten/Herdecke bereits für verschiedene Indikationen eingesetzt, nun soll er speziell für MS angepasst und evaluiert werden. Durch sein multimodales Konzept bietet BERN die Möglichkeit, individuelle Bedürfnisse einzubeziehen und erscheint daher in hohem Maße für das Krankheitsbild geeignet.

Das Besondere: Die Evaluation wird von Anfang an unter Einbeziehung der Patientinnen und Patienten, der Behandelnden und der Krankenkassen stattfinden. Sogenannte Fokusgruppen-Interviews sollen Aufschluss darüber geben, welche Therapieergebnisse aus Patienten- und Behandelnden-Perspektive besonders wertvoll sind – wann wäre ein Fortschritt im Umgang mit MS erreicht? Ebenso soll im Dialog mit Krankenkassen eruiert werden, welche Aspekte für die Beurteilung einer zukünftigen Kostenübernahme des Kurses wichtig sind. Dies alles wird in die Gestaltung von BERN einfließen.

Anschließend wird eine randomisiert-kontrollierte Pilotstudie prüfen, wie sich die Teilnahme an BERN auf die für Patientinnen und Patienten, Behandelnden und Krankenkassen relevanten Aspekte auswirkt. Geplant sind 60 Teilnehmende, die in zwei Gruppen randomisiert werden. Die Interventionsgruppe nimmt am achtwöchigen BERN-Kurs teil, die passive Kontrollgruppe erhält zunächst die übliche Behandlung und erst nach Ende der Studie Zugang zur Intervention (Wartegruppe). Durchgeführt wird die Studie im ambulanten Setting am Helios Universitätsklinikum Wuppertal. Die Teilnehmenden werden zu drei Zeitpunkten befragt: Zu Beginn der Studie, unmittelbar nach der letzten Sitzung des Kurses und ein letztes Mal drei Monate später. Relevant werden Unterschiede sowohl innerhalb einer Gruppe als auch zwischen den Gruppen sein.

Abschließend sollen Interviews mit Kurs-Teilnehmerinnen und Teilnehmern Aufschluss darüber geben, wie sie BERN erlebt haben, auf welche Schwierigkeiten sie stießen und welche Verbesserungen sie sich hinsichtlich des Kurses und der Versorgung generell wünschen. Das Projekt ist auf zwei Jahre angelegt und wird mit etwa 250.000 Euro gefördert.

 

TENS-Akupunktur und Akupressur zur Linderung von Blasenstörungen

Blasenstörungen – ständiger Harndrang, häufiges Wasserlassen, unvollständige Blasenentleerung oder Inkontinenz – treten bei der Mehrzahl aller Patientinnen und Patienten mit MS auf. Die Ursache ist neurologisch. Bei zehn Prozent liegen die Blasenstörungen bereits bei Erstdiagnose der MS vor, 75 Prozent entwickeln sie in den ersten zehn Jahren der Erkrankung. Die Betroffenen leiden nicht nur körperlich, sondern in erheblichem Maße auch psychisch. Medikamentöse Therapieversuche können unangenehme Nebenwirkungen verursachen, der Einsatz von Kathetern erhöht das Risiko einer Harnwegsinfektion, und operative Eingriffe stellen nur im Extremfall eine Option dar. Insofern stellt die Blasenstörung ein medizinisch unterversorgtes Symptom dar und nicht-medikamentöse Therapieansätze werden dringend benötigt.

Die Elektrostimulation (TENS) und die Akupressur von Akupunkturpunkten im Unterschenkelbereich könnten solche Ansätze sein. Zwar gibt es bereits Hinweise auf eine Wirksamkeit bei Blasenstörungen, allerdings nur begrenzt bzw. nicht im Zusammenhang mit MS. Dr. Joanna Dietzel und Prof. Dr. Benno Brinkhaus möchten diese Forschungslücke schließen.

Insgesamt 150 Patientinnen und Patienten werden in die Studie eingeschlossen und in drei Gruppen randomisiert (je 50 Teilnehmerinnen pro Studienarm). Gruppe A nutzt ein TENS-Gerät in der Selbstanwendung zuhause für 20 Minuten pro Tag über fünf Wochen. Gruppe B führt für 20 Minuten pro Tag eine Selbstakupressur durch, ebenfalls über fünf Wochen. In beiden Interventionsgruppen ist die Weiterführung einer ggf. bestehenden routinemäßigen Therapie der Blasenstörungen erlaubt. Gruppe C erhält zunächst weiterhin die routinemäßige Versorgung und nach Abschluss der Studie Zugang zu den Interventionen. Nach fünf Wochen und nach zehn Wochen wird die Auswirkung unter anderem auf die Harnblasenfunktion, den Harndrang, die Restharnmenge nach dem Wasserlassen und die Lebensqualität erfasst.

Eine Befragung von 14 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zum Erleben der Beschwerden und der Studieninterventionen sowie zum subjektiven Erleben der Auswirkungen ist zudem geplant. Auf diese Weise könnten wichtige Erkenntnisse darüber gewonnen werden, wie TENS und Akupressur sich möglichst niederschwellig als Selbsthilfemaßnahmen etablieren lassen. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und wird mit etwa 470.000 Euro gefördert.

 

Carstens-Stiftung (Logo)

Die gemeinnützige Karl und Veronica Carstens-Stiftung wurde 1981 vom damaligen Bundespräsidenten und seiner Ehefrau gegründet. 40 Jahre nach ihrer Gründung ist die Carstens-Stiftung eine bedeutende Wissenschaftsorganisation auf dem Gebiet der Naturheilkunde und Komplementärmedizin und hat mit einer Fördersumme von 40 Millionen Euro über 300 Forschungsprojekte unterstützt. Sie setzt sich für die Verankerung von Naturheilkunde und Komplementärmedizin in der medizinischen Forschung und Patientenversorgung ein. Hauptaufgaben sind die Förderung wissenschaftlicher Forschung und des medizinischen Nachwuchses sowie die fundierte Aufklärung über Anwendung und Nutzen naturheilkundlicher und komplementärmedizinischer Verfahren.