"Es ist eine Riesenehre, den diesjährigen Bertha-Benz-Preis zu bekommen", sagt Scheel. "Für mich war Bertha Benz schon immer ein Vorbild, weil sie sich damals mutig in ein unerprobtes Auto gesetzt hat und einfach losgefahren ist." Ähnlich motiviert ist die Ingenieurwissenschaftlerin vorgegangen. Sie hat ein innovatives Messverfahren auf den Weg gebracht, mit dem zusammengesetzte Strukturen präzise, einfach und vor allem zerstörungsfrei auf ihr Schwingungsverhalten hin untersucht werden können. Über einen elektronischen Regelkreis wird das zu untersuchende Element in bestimmte Schwingungsformen versetzt, wobei die Anregungsstufen variieren. Für jedes Level wird die Frequenz ermittelt, bei der das Bauteil ein sicherheitskritisches Schwingungsverhalten aufweist. Damit lassen sich später punktgenau diejenigen Materialstellen finden, die den höchsten Beanspruchungen unterliegen, und gefährliche Resonanzen vorhersagen. Mit konventionellen Methoden ist dies bislang nicht möglich: Sie basieren auf linearer Theorie und liefern in Gegenwart von Fügestellen unbrauchbare Ergebnisse.
Fließt das neue Wissen frühzeitig in die Konstruktion von Bauteilen ein, kann beispielsweise das schwingungsbedingte Brechen von Rotorblättern komplett vermieden werden. "Alle Bauteile, die sich bewegen, können in unerwünschte Resonanz geraten", erklärt Scheel. Bald sollen die Parameter des von ihr entwickelten Regelkreises systematisch gewählt werden können. "Dann geht alles noch schneller und einfacher, sodass auch Nichtspezialisten die Methode nutzen können." Wegen der Innovationskraft, der breiten Anwendbarkeit und des Sicherheitspotenzials in sämtlichen Industriebranchen erschien die Dissertation für die Jury als besonders preiswürdig.
Mit der Auszeichnung möchte die Daimler und Benz Stiftung ausdrücklich Frauen in ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen ansprechen und in ihrer beruflichen Laufbahn unterstützen. Der Preis steht für Neugierde, Mut, Durchhaltevermögen und Pioniergeist im Sinne der Namensstifterin Bertha Benz, die im Jahr 1888 die weltweit erste Fernfahrt in einem Automobil unternahm. "Ich hoffe auf eine positive Resonanz bei Mädchen und jungen Frauen", betont Scheel. "Es wäre toll, wenn sie durch eine größere Sichtbarkeit von Wissenschaftlerinnen gerade in den Ingenieurwissenschaften ebenfalls zu technischen Studiengängen motiviert würden!"