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Ausgezeichnet: Hans-Kilian-Preis 2019 für Ashis Nandy

10.05.2019

Der führende indische Psychoanalytiker nahm den mit 80.000 Euro dotierten internationalen Forschungspreis der Köhler-Stiftung am Donnerstag (9. Mai 2019) in Bochum entgegen.

Der indische Psychoanalytiker und Sozialtheoretiker Ashis Nandy ist Preisträger des diesjährigen Hans-Kilian-Preises, mit 80.000 Euro deutschlandweit eine der höchstdotierten Auszeichnungen im Bereich der Sozial- und Geisteswissenschaften. Am Donnerstagnachmittag (9. Mai 2019) nahm er den Hans-Kilian-Preis im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung an der Ruhr-Universität Bochum entgegen. "Hans Kilian hat immer wieder die Aufgabe der Sozialwissenschaft und der Psychoanalyse betont, das Unsichtbare und das, was manche Gesellschaften gerne unsichtbar machen würden, dem Verbergen und Vergessen zu entreißen. In einer Welt, in der ehemals schützende und sichtbare Gemeinschaften mehr und mehr zerstört und durch anonymisierende Massengesellschaften verdrängt werden, ist diese Aufgabe dringlicher denn je", sagte Ashis Nandy anlässlich seiner Auszeichnung mit dem Hans-Kilian-Preis.

Nandy gilt als Mitbegründer der weltweiten Postcolonial Studies. In seinem wissenschaftlichen Lebenswerk sucht er sowohl die Auseinandersetzung mit als auch den Brückenschlag zwischen westlichen und östlichen Gesellschaften – zudem ist er als postkolonialer Denker bekannt für seine interdisziplinären und kreativen Ansätze. In der Laudatio von Dorothee Wierling, Vorsitzende des Preiskuratoriums und Vorstandsmitglied der Köhler-Stiftung, wurde der Preisträger wie folgt gewürdigt: "Ashis Nandys ungebremste Neugierde, seine Güte und gelassene Weisheit in Bezug auf die sozialpsychologische Welt, sein unerschütterlicher Anti-Nationalismus und der unbeirrbare Glaube an das Potenzial der Menschen, mitfühlende Gesellschaften zu errichten, machen seine Stimme für uns alle bedeutsam. Sein öffentliches Eintreten für einen sozialen Wandel, der die kulturelle Vergangenheit nicht einfach unreflektiert zum Verschwinden bringt, ist impulsgebend. Mit der Vergabe des diesjährigen Hans-Kilian-Preises an Ashis Nandy spricht die Preisjury ihm ihre Anerkennung für die enorme öffentliche wie auch einflussreiche intellektuelle und wissenschaftliche Bedeutung aus, die er in seinem langen wissenschaftlichen Leben erlangt hat."

Preisträger Ashis Nandy bei der Preisverleihung in Bochum

Zum Preisträger Ashis Nandy

Mit ihrem internationalen Forschungspreis würdigt die Köhler-Stiftung in diesem Jahr einen weltweit gehörten und mitunter durchaus streitbaren Intellektuellen, dem es bis heute immer wieder gelingt, mit seiner wissenschaftlichen Arbeit und seiner Kritik auch nachhaltige politische Debatten anzuregen. Ashis Nandy, Jahrgang 1937, ist einer der bekanntesten Psychologen, Psychoanalytiker und Soziologen Indiens. Er – selbst in der indischen postkolonialen Kultur verwurzelt – setzt sich mit dieser seit Beginn seiner Karriere kritisch auseinander und bearbeitet dabei vielfältige Felder sozial- und kulturwissenschaftlicher Forschung innovativ und interdisziplinär. Besondere Akzente setzte er etwa, indem er westliche Theorietraditionen zur Analyse nichtwestlicher Kontexte verwendete. Im Ergebnis erreichte er dadurch sowohl fruchtbare Analysen der indischen Gesellschaft und ihrer nachwirkenden Kolonialerfahrungen als auch eine Stärkung der Psychoanalyse – wies er doch deren Potenzial auf, auch nichtwestliche Lebensformen und Befindlichkeiten zu untersuchen.

Ashis Nandys akademische Karriere ist eng mit dem Centre for the Study of Developing Societies (CSDS) in Neu-Delhi verbunden, dem er in den 1990er-Jahren als Direktor vorstand und heute als Senior Honorary Fellow angehört. Die internationale Reichweite seiner Arbeit zeigt sich unter anderem in Fellowships an verschiedenen Universitäten in den USA, Großbritannien und Deutschland sowie in der Übernahme des ersten UNESCO-Lehrstuhls am Zentrum für europäische Studien der Universität Trier im Jahr 1994. Das Magazin "Foreign Affairs" zählte ihn 2008 zu den 100 weltweit wichtigsten öffentlichen Intellektuellen. Zeitlebens setzt sich Nandy engagiert für Menschenrechte und das Überleben von Kulturen ein.

Sein Werk "The intimate enemy" ist unter dem Titel "Der Intimfeind: Verlust und Wiederaneignung der Persönlichkeit im Kolonialismus" in deutscher Sprache erschienen. Weitere wichtige Publikationen des Preisträgers sind "The savage Freud and other essays on possible and retrievable selves" und "Time Treks: The uncertain futures of old and new despotisms".

Heinz-Rudi Spiegel und Andrea Locker (Stifterverband/DSZ) mit dem Preisträger Ashis Nandy (Mi.)
Mit dem Hans-Kilian-Preis 2019 ausgezeichnet: Ashis Nandy

Der Hans-Kilian-Preis

Mit einem Preisgeld in Höhe von 80.000 Euro gehört der Hans-Kilian-Preis deutschlandweit zu den höchstdotierten Auszeichnungen im Bereich der Sozial- und Geisteswissenschaften. Der Forschungspreis wird seit 2011 alle zwei Jahre vergeben und würdigt internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in ihren Arbeiten Grenzen zwischen Disziplinen und Kulturen kreativ überschreiten und produktive Synthesen zwischen bislang isolierten Wissensgebieten schaffen. Benannt ist der Preis nach Hans Kilian (1921-2008), der als Ordinarius für Sozialpsychologie und angewandte Psychoanalyse an der Universität Kassel lehrte.
Website zum Hans-Kilian-Preis

 

Die Köhler-Stiftung

Die 1987 durch Lotte Köhler errichtete Köhler-Stiftung im Stifterverband fördert die Wissenschaften vom Menschen, und zwar insbesondere solche Gebiete, die das Verständnis des Menschen über sich selbst erweitern. Darunter sind sowohl Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der Psychologie und benachbarter Sozial- und Kulturwissenschaften als auch auf dem Gebiet der Medizin zu verstehen. Vorrangig gefördert werden Arbeiten zu psychosozialen Aspekten des menschlichen Zusammenlebens in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

In Zusammenhang mit dem Preis werden vom Hans Kilian und Lotte Köhler-Centrum (KKC) an der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum regelmäßig internationale Hans-Kilian-Vorlesungen zur sozial- und kulturwissenschaftlichen Psychologie und integrativen Anthropologie veranstaltet. Die Ergebnisse der Hans-Kilian-Vorlesungen, ebenfalls mit Mitteln der Köhler-Stiftung gefördert, werden veröffentlicht. Mehrere Deutschlandstipendien werden als Lotte-Köhler-Stipendien vergeben.
Website des Hans Kilian und Lotte Köhler-Centrums