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Engagiert für schädelhirnverletzte Menschen und gegen falsch sitzende Fahrradhelme

22.08.2016

ZNS – Hannelore Kohl Stiftung: Neuropsychologie-Neurorehabilitation-Pionier Prof. Dr. Dr. Klaus Mayer wird 90

Prof. Dr. Dr. Klaus Mayer (Foto: privat)
Foto: privat

Was die junge Mutter aus Düsseldorf wohl dachte, als der Herr im Großvateralter auf sie zukam und höflich fragte, ob er ihrer Tochter den Fahrradhelm zurechtrücken dürfe? Sie dürfte nicht geahnt haben, welche Koryphäe ihrer Tochter den Helm sachgerecht neu aufsetzte: Es war Prof. Dr. Dr. Klaus Mayer (Foto), der Mann, der die Neuropsychologie und Neurorehabilitation in Deutschland über sechs Jahrzehnte hinweg maßgeblich prägte. Mayer wird am 6. September 2016 90 Jahre alt.

Seinen Platz im Vorstand der ZNS – Hannelore Kohl Stiftung hat er aus Altersgründen vor fünf Jahren geräumt. Doch noch immer macht Mayer den Mund auf, wenn er hofft, zur Verbesserung der Lebensverhältnisse von Menschen mit einer Schädelhirnverletzung beitragen zu können. "Dieses süße kleine Mädchen, etwa vier Jahre alt, trug den Helm ganz schief", berichtet er. "Da erklärte ich der Mutter, was bei einem Sturz passieren könnte: Der Helm schiebt sich nach hinten, der Gurt würgt das Kind." Zum Glück, merkt er an, habe sie seine Unterstützung akzeptiert.

 

Jugendjahre: Mit Geduld und harter Arbeit

Mayer sieht seinen Platz seit jeher am Patienten, nicht im Elfenbeinturm. "Seit etwa meinem zehnten Lebensjahr", erzählt er, "wollte ich Arzt werden." Zunächst kam der Krieg dazwischen, der ihn 17-jährig erst zu den Gebirgsjägern, später in französische Kriegsgefangenschaft ins Bergwerk brachte. "Mich hielt immer der Gedanke aufrecht: Ich komme heim, und dann studiere ich Medizin", so Mayer. Als er nach drei Jahren Gefangenschaft 1948 freikam, folgten allerdings Trauer und Schock: Sein Vater war bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen. Und statt studieren zu dürfen, musste er das Kriegs-Abitur nachholen und auf den Wunschstudienplatz warten. In Marburg erhielt Mayer 1949 immerhin die Möglichkeit, Psychologie zu studieren. Wegen seiner Erfahrungen in Krieg und Gefangenschaft wollte er mehr über die Grundlagen menschlichen Erlebens und Verhalten wissen. Vor allem dank seines experimentell-empirisch forschenden Professors Heinrich Düker faszinierte ihn sein Studium und prägte seine eigenen späteren Forschungen. Ab dem dritten Semester durfte er parallel Medizin belegen.

In den Semesterferien arbeitete Mayer am Düsseldorfer Forschungsinstitut für Arbeitspsychologie und Personalwesen (FORFA). Dort bekam er nach Vollendung des Psychologiestudiums 1953 eine Anstellung. Medizin studierte er weiter an der Medizinischen Akademie Düsseldorf, unter anderem bei Professor Dr. Gustav Bodechtel. "Bei ihm", sagt Mayer rückblickend, "habe ich sehr viel gelernt und meine Vorliebe für die Neurologie entdeckt."

Aber die Neurologie war damals in Deutschland noch nicht eigenständiges Fachgebiet, Neuropsychologie schon gar nicht. „Dabei wurde hier bereits im Ersten Weltkrieg Bedeutendes für Schädelhirnverletzte geleistet“, so Mayer. An eine Vernetzung der Experten, weitergehende Forschung und Lehre war jedoch nicht zu denken. Mayer, der ab 1958 in Tübingens Universitätsnervenklinik arbeitete und 1964 dort zum Ersten Oberarzt der neu gegründeten Neurologischen Universitätsklinik wurde, änderte das, als er 1972 den Ruf auf die neugeschaffene Professur für Neurologie und Neuropsychologie mit Leitung der Neurologischen Poliklinik und der Abteilung Neuropsychologie in Tübingen erhielt.  „Das war die Erste dieser Art und modellhaft für ganz Deutschland“, berichtet er. Viele andere Universitätskliniken folgten dem Beispiel. Neuropsychologen stellten fortan ihr Können unter Beweis, gewannen den Respekt der Ärzte in Klinik und Praxis.

 

Freude über Erreichtes – Wünsche für die Zukunft

Wie engagiert Mayer arbeitete, kam auch bei Hannelore Kohl an, die seit 1971 Schirmherrin des Rehabilitationszentrums Vallendar war. 1983 rief sie bei dem Tübinger Professor an und verriet ihm ihren Wunsch, eine Institution zu gründen, um Unfallopfer mit Kopfverletzungen zu unterstützen. "Da dachte ich mir: Über diese Dame kannst du etwas zur Verbesserung der Rehabilitation tun", erinnert sich Mayer.

Als am 21. Dezember 1983 die Hilfsorganisation für Unfallopfer mit Verletzungen des zentralen Nervensystems gegründet wurde, war Mayer Gründungsmitglied. 1986 fiel der Startschuss für "Computer helfen heilen" – eine zukunftsweisende Rehabilitationsmethode in einer Zeit, in der Computer längst nicht in jedem Haushalt standen. 1991 stellte Mayer die Frührehabilitation vor, mit der begonnen werden kann, sobald ein Patient stabilisiert ist.

"Als wir 1983 anfingen, gab es 60 Rehakliniken für schädelhirnverletzte Menschen", zieht Mayer sein Resümee. "Heute sind es rund 265." Er freut sich, dazu beigetragen zu haben – "auch, indem ich Hannelore Kohl, die komplizierten medizinischen Sachverhalte vermittelte." Sie habe die Fakten anschaulich und laienverständlich weitergegeben, mit Klugheit, Charme und Beharrlichkeit Spender und Förderer überzeugt. "Ich habe Sie von Begann an beratend und helfend begleitet. Die Zusammenarbeit mit Hannelore Kohl und für unser Werk, die heutige ZNS – Hannelore Kohl Stiftung, haben meine Lebens- und Berufserfahrung erweitert. Sinn und Inhalt meines Lebens bereichert."

Mayer freut sich, "dafür Sorge getragen zu haben, dass die Rehabilitation für schädelhirnverletzte Menschen besser wurde, dadurch, dass Kliniken mit allen Erfordernissen entsprechender apparativer, räumlicher und personeller Einrichtung geschaffen wurden".

Zum 90. Geburtstag, betont er, bleiben trotzdem Wünsche offen. "Die Nachsorge muss verbessert werden", nennt Mayer den ersten. "Hirngeschädigte müssen besser in ihren Alltag zurückbegleitet werden, auch in den Beruf." Noch mangele es zum Beispiel an Unterstützung für Arbeitgeber, die spezielle Arbeitsplätze für die Patienten erhalten möchten. Mayers zweiter Wunsch lautet "eine bessere Neurorehabilitation auch nach leichten Schädigungen. Man denke nur an die sogenannten Gehirnerschütterungen im Schul- und Breitensport. Es darf nicht sein, dass Fußballspieler nach Zusammenstößen weiterspielen, obwohl sie auf Nachfrage nicht wissen, in welcher Halbzeit sie spielen?" Wunsch Nummer drei gilt der Prävention von Unfällen. "Die ZNS – Hannelore Kohl Stiftung bewirkt zum Glück viel in all diesen Bereichen", lobt der Jubilar. Und er selbst? Bringt sich ein, wo immer es ihm möglich ist – und sei es beim Spaziergang durch Düsseldorf angesichts eines Kindes mit einem falsch sitzenden Fahrradhelm.

Pressekontakt

Anke Meis (Foto: Sven Lorenz)

Anke Meis

ist Leiterin des Bereiches "Kommunikation & Marketing" im Deutschen Stiftungszentrum.

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