"Flexibel, schnell und permanent handeln"

Denis Friess, Leiter des Institutionelles Fondsmanagements bei Deka Investment
Denis Friess, Leiter des Institutionelles Fondsmanagements bei Deka Investment

"Flexibel, schnell und permanent handeln"

"Der deutsche Aktienmarkt hat einen enormen Aufholbedarf", erklärt Denis Friess, Leiter Institutionelles Fondsmanagement, Deka Investment. In Zeiten hoher Verunsicherung und zum Teil heftiger Kurschwankungen bleibe für Stiftungen neben der richtigen Grundallokation das permanente Agieren und Reagieren am Markt ein wichtiger Erfolgsbaustein. Warum für ihn zur Professionalisierung des Sektors auch ein Rückgriff auf externes Know-how gehört, weshalb er das internationale Finanzsystem in einem guten Zustand sieht und was er sich von Bundeskanzler Friedrich Merz erhofft, hat er in einem intensiven Gespräch mit DSZ-Geschäftsführer Matthias Schmolz erzählt.

 

Matthias Schmolz: Lieber Herr Friess, die Weltwirtschaft taumelt von Zollstreit bis Nahostkrieg von einer Krise in die nächste. Die internationalen Börsen scheinen auf diese externen Schocks inzwischen mit wachsender Gelassenheit zu reagieren. Ist das ein Gewöhnungseffekt oder sind die Kapitalmärkte tatsächlich resilienter geworden?

Denis Friess: Die Weltwirtschaft ist robust, und unsere Volkswirte rechnen für 2025 mit einem globalen Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent. Dies trotz der geopolitischen Konflikte, einer unberechenbaren US-Zollpolitik sowie der weltpolitischen Umwälzungen. Die Zollstreitigkeiten oder auch geopolitischen Krisenherde stellen eine Fortsetzung der jahrelangen Anspannungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar.
Tatsächlich scheinen sich in den vergangenen Jahren auf der Unternehmensseite einige Resilienzen herausgebildet zu haben. Unternehmen haben sich bereits in der Coronazeit als flexibel im Umgang mit Einschränkungen erwiesen. Eine ähnliche Flexibilität ist bei der Berücksichtigung neuer Zollschranken zu erwarten. Die rasant ansteigenden neuen technologischen Möglichkeiten der Digitalisierung führen gegenwärtig einerseits zu Umbrüchen in Produktionsmethoden und Branchenstrukturen, andererseits eben zu neuen Märkten mit neuem Umsatz- und Gewinnpotenzial. Zudem unterstützen Geld- und Fiskalpolitik die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Schließlich steht ebenfalls auf der Haben-Seite der Weltwirtschaft ein funktionierendes Finanzsystem. Es gibt zurzeit keine offenen Ungleichgewichte, welche die Funktionsfähigkeit der monetären Infrastruktur infrage stellen würden.
 

Matthias Schmolz: Deutschland ist laut jüngstem UBS Global Wealth Report weiterhin die viertreichste Nation der Welt, weist aber beim Vermögensaufbau deutlich weniger Dynamik als andere Länder auf. Als Grund wird der geringere Anteil von Aktien und anderen Finanzwerten am Vermögensportfolio genannt. Ist die Skepsis gegenüber Aktien hierzulande noch immer so tief verankert? 

Denis Friess: Die Skepsis scheint in den zurückliegenden Jahren etwas abgenommen zu haben. Das legen die Statistiken nahe. Sie zeigen, dass die Anzahl der Aktionäre in Deutschland stetig zugenommen hat. Das ist ein wirklich wichtiges und positive Zeichen. Bei der Geldanlage ist es allerdings leider so, und auch das gehört zur Wahrheit dazu, dass Deutschland im internationalen Vergleich insbesondere den USA hinterherhinken. Es ist zu hoffen, dass sich der positive Trend der vergangenen Jahre fortführt und mehr Menschen den Zugang zu den Kapitalmärkten finden und an diesen partizipieren.
Dies ist aus zweierlei Sicht von enormer Wichtigkeit. Erstens: Die Anlage in Aktien für langfristig orientierte Anleger hat einen sehr hohen Stellenwert. Nur mit Hinzunahme von Aktien lassen sich reale Vermögenszuwächse realisieren. Das heißt, Renditen, die oberhalb der Inflationsraten liegen. Unsere Volkswirte gehen in ihren aktuellen Prognosen davon aus, dass sich in den nächsten zehn Jahren bei europäischen Aktien 6,5 Prozent annualisierte Rendite realisieren könnten.
Zum anderen ist es für eine Volkswirtschaft von zentraler Bedeutung, einen ausreichend großen und liquiden heimischen Kapitalmarkt zu haben. Nur darüber lassen sich auf Dauer Risikokapital anziehen und Investitionen finanzieren. Relativ zu der Größe der deutschen Volkswirtschaft ist der deutsche Aktienmarkt im internationalen Vergleich extrem klein und hat einen enormen Aufholbedarf.

Denis Friess im Gespräch mit Matthias Schmolz (Foto: Vladimir Wegener)
Foto: Vladimir Wegener
DSZ-Geschäftsführer Matthias Schmolz (li.) im Gespräch mit Denis Friess

Es ist zu hoffen, dass mehr Menschen den Zugang zu den Kapitalmärkten finden und an diesen partizipieren.

Matthias Schmolz: Im Stiftungssektor hat sich das Vermögensmanagement in den vergangenen Jahren unter dem Druck der Niedrigzinsphase deutlich professionalisiert. Dennoch bleiben Potenziale auf den Finanzmärkten ungenutzt und wird damit ein realer Kapitalabbau durch Inflation riskiert. Fehlt es den Stiftungen noch an Wissen, Mut oder den richtigen Governance-Strukturen? 

Denis Friess: Die Professionalisierung der Stiftungen in Bezug auf die Kapitalanlage stellen wir wie von Ihnen geschildert fest. Dies schließt auch den Zugriff auf externes Know-how ein, beispielsweise durch das Outsourcing der Verwaltung des Stiftungskapitals. In Bezug auf Mut und Governance sehen wir häufig auch stiftungsrechtliche und Satzungs-Themen. Viele Satzungen und Anlagerichtlinien sind zur Gründung gemacht worden und im Zeitablauf nicht an neue Gegebenheiten angepasst worden. Das kann man zum Beispiel bei der regionalen Asset-Allokation feststellen. Hier gehen wir davon aus, dass es einigen am Mut fehlt, Satzungen und Anlagerichtlinien anzugehen, um sich den Kapitalmärkten anzupassen und so die bestmöglichen Renditen erzielen zu können.
 

Matthias Schmolz: Wir raten unseren Kunden zu mehr Diversifizierung und einem dynamischen Portfoliomanagement. Welche Elemente sollte eine aktive Vermögensstrategie im Stiftungsbereich beinhalten?

Denis Friess: Stiftungen sollten immer einen aktuellen Abgleich mit den am Markt möglichen Renditemöglichkeiten und den korrespondierenden Risiken pflegen. Es ist essenziell, sich hier flexibel zu verhalten, um am Ende eine sichere Ausschüttungspolitik zu erreichen. Nur so kann die Stiftung den definierten Stiftungszweck erfüllen. Insbesondere Mischfondskonzepte halten wir in so politisch getriebenen Zeiten für eine sehr gute Anlageform, da kurzfristig und ohne lange Abstimmungswege zwischen Anlageklassen gewechselt werden kann: Für uns also ein wichtiger Baustein für einen dynamischen Management Ansatz.
 

Matthias Schmolz: Aktives Management, breite Streuung und professionelles Monitoring sind für viele Stiftungen eine große Herausforderung. Der Stifterverband bietet seinen Stiftungen in Kooperation mit Banken wie der Deka Spezialfonds-Lösungen an. Welche konkreten Vorteile sehen Sie speziell für kleinere und mittlere Stiftungen?

Denis Friess: Eine flexible, schnelle und permanente Arbeit im Kapitalmarkt ist für nachhaltigen Anlageerfolg erforderlich. In der Regel haben gerade mittlere und kleinere Stiftungen nicht die personelle Ausstattung, sich neben allen Stiftungsthemen auch permanent um die Kapitalanlage zu kümmern. In Zeiten hoher Verunsicherung und zum Teil heftiger Kurschwankungen bleibt neben der richtigen Grundallokation das permanente Agieren und Reagieren am Markt ein wichtiger Erfolgsbaustein. Nur mit Know-how und den nötigen Tools können die nötigen Kapitalerträge erwirtschaftet werden. Genau hier stehen wir an der Seite unserer Kunden und unterstützen sie professionell zu ihrem Vorteil.

Denis Friess (Foto: Vladimir Wegener)

Matthias Schmolz: Hohe Volatilität an den Märkten wird zum Dauerzustand. Welche Trends sollten Anleger bei Aktien, Anleihen und Währungen aktuell besonders im Blick behalten?

Denis Friess: Dem Anleihemarkt kommt derzeit eine besonders wichtige Rolle zu, da sie neben der Staatsfinanzierung auch Unternehmensfinanzierungen sicherstellen.
 

Matthias Schmolz: Ist das Jahrzehnt der US-Aktien vorbei?

Denis Friess: Mittelfristig erscheint das Aufwärtspotenzial am US-Aktienmarkt begrenzt. Gründe hierfür sind die aktuell sehr hohen Bewertungen, anhaltende Unsicherheit im Zusammenhang mit möglichen Margenbelastungen durch Zölle sowie die bereits hohe Allokation vieler Anleger in US-Aktien. Aus Sicht europäischer Investoren kommt das Währungsrisiko hinzu. Seit Jahresanfang hat der US-Dollar gegenüber dem Euro bereits deutlich abgewertet. Die Risiken eine potenziell schwächeren US-Dollars sollten bei der Portfolioausrichtung nicht außer Acht gelassen werden.
Langfristig bleiben US-Aktien wichtiger Bestandteil eines gut aufgestellten Portfolios. Ihre Innovationskraft, die hohe Marktliquidität und die dominante Rolle vieler US-Unternehmen in Zukunftsbranchen sprechen weiterhin für ein substanzielles Engagement. Aus unserer Sicht sollten US-Aktien daher ein wesentlicher Bestandteil eines breit diversifizierten, global ausgerichteten Portfolios bleiben.
 

Matthias Schmolz: Was erwarten Sie speziell bei Tech-Werten?

Denis Friess: Nach einer Schwächephase im ersten Quartal und dem Rückschlag im April haben sich die Tech-Werte zuletzt deutlich erholt, der Nasdaq 100 hat sogar neue Rekordniveaus erreicht. Besonders die "Magnificent Seven" zeigen sich insgesamt in starker Verfassung: Seit Jahresbeginn gab es nur geringe Gewinnrevisionen, was auf eine robuste fundamentale Entwicklung hindeutet. Für die bevorstehende Berichtssaison rechnen wir mit soliden Ergebnissen im Technologiesektor. Künstliche Intelligenz bleibt der zentrale Wachstumstreiber für diese Unternehmen. Zudem haben sich die großen Tech-Konzerne relativ erfolgreich durch die geopolitischen Spannungen und Handelskonflikte durchlaviert. Diese strukturelle Stärke erklärt auch die deutliche Outperformance der Mag 7 gegenüber dem breiten S&P 500 sowie insbesondere gegenüber dem Small-Cap-Index Russell 2000 seit dem "Liberation Day".
 

Matthias Schmolz: Wie wird sich der US-Dollar entwickeln?

Denis Friess: Der US-Dollar sollte perspektivisch weiter abwerten, allerdings dürfte die Bewegung an Dynamik verlieren. Die Belastungsfaktoren für den US-Dollar sind vielfältig, aber zumeist gehen sie von der aktuellen Regierung aus: Handelskonflikte, Angriffe auf die US-Notenbank und ein ausuferndes US-Fiskaldefizit sorgten für einen weitgehenden Käuferstreik. Entsprechend schwieriger ist es für die USA, ihr hohes Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren. Diese Faktoren dürften den US-Dollar weiterhin belasten und dem Euro Auftrieb verleihen. Mit einem aktuellen Kurs von 1,18 haben sich EUR/USD dem als fair eingeschätzten Niveau gemäß der Kaufkraftparität bereits deutlich angenähert. Unsere Zwölf-Monats-Prognose für den Wechselkurs liegt bei 1,19 USD je Euro.

Denis Friess im Gespräch mit Matthias Schmolz (Foto: Vladimir Wegener)
Foto: Vladimir Wegener

Derzeit beobachten wir deutliche Kapitalzuflüsse in Richtung Europa – insbesondere nach Deutschland.

Matthias Schmolz: Wegen der hohen Staatsverschuldung zeigt sich auch der US-Anleihenmarkt unter Druck. Was bedeutet das für Anleger?

Denis Friess: Die Renditen von US-Staatsanleihen sind im Vergleich zu den vergangenen 15 Jahren auf einem relativ hohen Niveau. Treiber dieser Entwicklung waren die mangelnde fiskalische Disziplin der US-Regierung in Kombination mit der bereits hohen Staatsverschuldung, verstärkt durch die erratische und unberechenbare Politik der Regierung. Diese Faktoren sind dem Markt weitgehend bekannt und dürften daher keine anhaltenden Verwerfungen an den Rentenmärkten verursachen. Zudem hat die US-Regierung gezeigt, dass sie auf Unruhe am Staatsanleihenmarkt reagiert.
Gleichzeitig rechnen wir damit, dass die US-Notenbank in den nächsten zwölf Monaten den Leitzins um insgesamt 100 Basispunkte senken wird. Vor dem Hintergrund dieser geldpolitischen Lockerung erwarten wir, dass die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen in dieser Zeit auf 3,95 Prozent sinken wird.
 

Matthias Schmolz: Sehen Sie auch den signifikanten Stimmungsumschwung hin zu Investitionen in Deutschland und Europa?

Denis Friess: Der Stimmungsumschwung lässt sich ganz klar an den Kapitalmarktbewegungen erkennen. Derzeit beobachten wir deutliche Kapitalzuflüsse in Richtung Europa – insbesondere nach Deutschland. Diese Entwicklung spiegelt sich unter anderem in der starken Performance des DAX im bisherigen Jahresverlauf wider, der deutlich besser als der S&P 500 performte. Ebenfalls ist das an der Entwicklung des Euro-US-Dollar-Wechselkurses abzulesen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zum einen sorgen die angekündigten Fiskalpakete in der Eurozone für Zuversicht unter Investoren, zum anderen führt die politische Unsicherheit in den USA zu einer Umschichtung von Kapital in europäische Märkte.
Mittelfristig erwarten wir, dass diese Kapitalzuflüsse Richtung Europa anhalten und damit der Euro gestützt wird. Langfristig bleibt abzuwarten, in welche Sektoren und Unternehmen die Mittel konkret fließen und welche Unternehmen besonders stark davon profitieren werden.
Konjunkturell dürften die Fiskalpakete in den kommenden Jahren ebenfalls ihre Wirkung zeigen. Insgesamt rechnen unsere Volkswirte mit einem positiven Wachstumseffekt von knapp zwei Prozentpunkten. Damit aus diesen Konjunkturimpulsen ein längerfristig höheres Wachstumspotenzial abgeleitet werden kann, wird es maßgeblich darauf ankommen, dass diese nicht nur für konsumtive, sondern vor allem für investive Zwecke verwendet werden.
 

Matthias Schmolz: Kryptowährungen sind hochspekulativ und damit für Stiftungen eigentlich tabu. Sehen Sie Wege, wie sich Stiftungen dem Anlagethema dennoch vorsichtig annähern können?

Denis Friess: Wir stehen Kryptowährungen gegenüber abwartend gegenüber. Fakt ist: Es handelt sich um eine neue Anlageklasse, die hochspekulativ ist. Für Stiftungen, die auf die Erzielung berechenbarer Erträge abstellen, eignet sich diese Anlageklasse naturgemäß nicht. Wir messen einer berechenbaren und nachvollziehbaren Anlagepolitik einen deutlich größeren Mehrwert bei der Kapitalanlage bei. Beim Blick auf Währungen als Asset-Klasse hat es sich stets gezeigt, dass auch diese Asset-Klasse hochspekulativ sein kann, und in Bezug auf ordentliche Erträge leisten sie keinen Mehrwert für ein Stiftungsportfolio.

Genehmigungsprozesse müssen schneller gehen, und Leute müssen wieder Spaß haben, ihre Geschäftsideen umzusetzen.

Matthias Schmolz: Ist das Thema Nachhaltigkeit in der Vermögensanlage bei Ihren Kunden noch aktuell oder gerät es durch die multiplen Krisen in den Hintergrund?

Denis Friess: Das Thema Nachhaltigkeit erfährt gerade eine Neubewertung. Zum einen hat Donald Trump das Thema für sich und seine Politik in den USA von der Agenda genommen, zum anderen haben wir in Europa einen neuen Blick aufgrund der offensichtlichen Kriegsgefahren. Wir spüren an vielen Stellen eine geänderte Einstellung unserer Anleger auf einzelne Bestandteile des ESG-Themas. In Europa findet das Thema Nachhaltigkeit weiterhin statt. Es ist also nicht so radikal, wie es in den USA dargestellt wird. Wir spüren auf der anderen Seite punktuell ein höheres Committent, nämlich dann, wenn Kunden ihre definierten und damit für sie wichtigen Nachhaltigkeitskriterien festgelegt haben. Durchdachte Nachhaltigkeitskriterien können den Stiftungszweck bei der Kapitalanlage fördern.
 

Matthias Schmolz: In Deutschland gibt es leichte Anzeichen für eine konjunkturelle Wende. Wenn Sie einen Wunsch an Bundeskanzler Friedrich Merz frei hätten, was müsste wirtschafts- oder finanzpolitisch sofort passieren?

Denis Friess: Ich würde gerne das Stichwort Deregulierung in der EU und in Deutschland vorneanstellen, ich haben das Gefühl, dass wir hier im Zusammenspiel mit einer Entbürokratisierung den größten Hebel haben. Genehmigungsprozesse müssen schneller gehen, und Leute müssen wieder Spaß haben, ihre Geschäftsideen umzusetzen. Deutschland ist immer in der Lage gewesen, tolle Innovationen zu treiben, und wir müssen wieder das Gefühl bekommen, es ist gewollt und wird nicht behindert.