Transformation beginnt mit Haltung

Gereon Schuch (Foto: HPI)
Gereon Schuch (Foto: HPI)

Transformation beginnt mit Haltung

Was macht gute Stiftungsarbeit heute aus – und morgen? Im Interview spricht Markus Heuel vom Deutschen Stiftungszentrum mit Gereon Schuch von der Deutschen Stiftungsakademie (DSA) über neue Anforderungen an Führung, Fachwissen und Weiterbildung. Es geht um Mut zur Veränderung, das Potenzial von KI und die Bedeutung von Haltung im beruflichen Alltag. Klar wird: Die Entwicklung von Stiftungen beginnt bei den Menschen, die sie tragen.

Heuel: Lieber Gereon Schuch, unsere Welt befindet sich in einem gigantischen Transformationsprozess – und auch im Stiftungssektor ist vieles im Umbruch. Folglich ändern sich Bedarfe und Anforderungen, neue Handlungsräume eröffnen sich. Welche Kompetenzen und Future Skills sind heute fürs Stiftungspersonal besonders wichtig?

Schuch: Zweifelsohne erleben wir gerade große Veränderungen, aber Veränderungen sind nichts Neues. Das wird deutlich, wenn man einmal in die Vergangenheit blickt, auf ganz klassische Beispiele: Die Eisenbahn, das Automobil, Telefon, Fernseher, Computer bis hin zur Entwicklung der KI, die schon vor Jahrzehnten eingesetzt hat. Es ist nachvollziehbar, dass jede Generation die Transformation, die ihre bisherige Art zu leben und zu arbeiten direkt betrifft, als besonders groß empfindet. Aber Größe ist relativ.
Wenn man Transformation meistern will, ist man schnell bei der Frage nach den erforderlichen Kompetenzen, um die neuen Anforderungen zu bewältigen und läuft meiner Meinung nach Gefahr, einen wichtigen Punkt zu überspringen, der erfolgsrelevant für die Gestaltung von Transformation ist: die persönliche Haltung. Damit meine ich die Offenheit, sich auf Neues einzulassen und die kritische Reflexion, Innovation weder als Heilsversprechen zu verklären noch als Bedrohung abzulehnen.
Transformationen kann man nicht aufhalten; man kann sie natürlich ignorieren – aber wir haben auch die Möglichkeit, sie zu gestalten. Denn "gigantisch" – wie Du eben gesagt hast – ist zweifelsohne das heutige Tempo der Veränderungen. Unter Zukunftsfähigkeit verstehe ich im ersten Schritt die Schaffung eines Mindsets, sich auf Veränderungen einzulassen, im zweiten die Analyse, welche neuen Anforderungen sich abzeichnen und dann den Erwerb der Kompetenzen, die mir helfen, die Aufgaben unter den veränderten Bedingungen gut zu bewältigen.

Transformationen kann man nicht aufhalten; man kann sie natürlich ignorieren – aber wir haben auch die Möglichkeit, sie zu gestalten.

 
Heuel: Der Einsatz von KI ist eine der neuen großen Herausforderungen im Stiftungsmanagement. Auch die DSA bietet mehrere Veranstaltungen dazu an. Allerdings prognostizierte Bill Gates jüngst, dass nur drei Berufe zukünftig nicht von KI übernommen werden können – das Berufsbild Stiftungsmanager war nicht dabei. Hat der Beruf in deinen Augen Zukunft? Wie wird der Job in zehn Jahren aussehen?

Schuch: Die Vorstellung einer "Übernahme durch KI" impliziert wieder eine Bedrohung. Ich würde vielmehr von einer Veränderung sprechen. Ganz sicher wird das Berufsbild Stiftungsmanager in zehn Jahren anders aussehen. Aber ist es neu, dass die Dinge sich wandeln?
Ich verstehe es als Aufgabe der DSA, Mitarbeitende in Stiftungen zu einem verantwortungsvollen Anwenden von KI zu ertüchtigen. Damit meine ich die Vermittlung des technischen, rechtlichen wie ethischen Kontextes, die Verdeutlichung der Anwendungsmöglichkeiten und die Sensibilisierung, den Menschen bzw. die Gesellschaft als Ziel des Stiftungswirkens immer im Blick zu behalten. Dabei muss jede Stiftung für sich entscheiden, in welchem Umfang und mit welcher Zielsetzung KI-Tools sinnvoll sein können. Förderstiftungen, die eine Vielzahl von Anträgen bearbeiten und auswerten müssen, sind in einer anderen Situation als Stiftungen, die operativ und mit verschiedenen Kooperationspartnern tätig sind.
Um entscheiden zu können, wo KI mir helfen kann, muss ich aber zunächst verstanden haben, was mit dieser Form der Intelligenz gemeint ist und welche Anwendungsszenarien es geben kann.
 

Heuel: Bei welchen Themen zeigt sich im Rahmen des DSA-Seminarprogramms der größte Bedarf? Welche Standard-Veranstaltungen sind "Oldies, but Goldies" und immer ausgebucht, und welche innovativen Themen und Trends sind neu auf der Agenda und stark nachgefragt?

Schuch: Über das aktuellste Thema haben wir gerade gesprochen. Dabei geht es allerdings weniger um detailliertes Fachwissen, sondern mehr um ein Orientierungsverständnis. Abgesehen von einigen Ausnahmen steigen die meisten Stiftungen gerade erst in das Thema KI ein. Wir werden beobachten, wie sich der Weiterbildungsbedarf mit der Zeit verändert.
Im Gesamtangebot ist festzustellen, dass die "Must-haves" immer gut laufen. Im Stiftungsmanagement sind die rechtlichen und steuerrechtlichen Grundlagen und die Veränderungen dieser Rahmenbedingungen durch Gesetze oder Verordnungen von essenzieller Bedeutung. Unter den Fachthemen haben in letzter Zeit Familienstiftungen und Immobilien im Stiftungsvermögen eine erhöhte Nachfrage erfahren. Wir hören oft, dass Teilnehmende sich im Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht auf den aktuellen Stand bringen wollen, um hier keine Fehler zu begehen – da dies bekanntlich ernsthafte Konsequenzen haben kann.
So richtig das ist, so problematisch ist der Umkehrschluss, dass in Themenfeldern, wo diese ernsthaften Konsequenzen nicht drohen, Weiterbildungen offenbar weniger relevant sind. In den sogenannten "weichen" Managementthemen nimmt die Bereitschaft, Geld und Zeit in Weiterbildungen zu investieren, spürbar ab. Bei Registerpflichten ist die Veranstaltung voll, aber bei Themen wie Kommunikation, Projektmanagement oder Fundraising wird dreimal überlegt, ob eine Weiterbildung wirklich nötig ist – und nicht selten durch learning by doing ersetzt.
Hier würde ich mir einen Bewusstseinswandel wünschen – ebenso kompensiert Weiterbildung keine Defizite, sondern eröffnet Potentiale. Stiftungsmanagement bedeutet nicht nur, den rechtlichen Rahmen einzuhalten, sondern auch, innerhalb dieses Rahmens kreativ und effektiv zu handeln – wirksam zu werden. Es geht doch um Zweckverwirklichung!
 

Heuel: Auch das Themenfeld Personalentwicklung ist Teil des DSA-Curriculums. Vor welchen Herausforderungen stehen Stiftungen heute in der Personalentwicklung, und welche Strategien sind entscheidend, um Talente zu gewinnen und langfristig zu binden.

Schuch: Vor einiger Zeit haben wir in einem ThinkLab zu Personal und Führung erarbeitet, dass es bei vielen Mitarbeitenden einen ausgeprägten Bedarf nach einer intensiveren Personalentwicklung und -führung gibt. Personalentwicklung hat in vielen Organisationen keinen hohen Stellenwert, wird nebenher gemacht und ist oft mehr Verwaltung als Entwicklung. 
Im Widerspruch zu dieser Bedarfsanalyse mussten wir allerdings feststellen, dass entsprechende Weiterbildungsangebote von Stiftungs- bzw. Personalverantwortlichen wenig wahrgenommen wurden. Personalentwicklung sollte mehr als das Führen eine Personalakte sein, oft scheitert es an Ressourcen – aber es ist auch eine Haltungsfrage. Für Stiftungen sind Mittel zur Zweckverwirklichung wichtig. Aber das wichtigste sind doch gute und motivierte Mitarbeitende, die die Zweckverwirklichung erst möglich machen.
Es ist völlig normal, sich im Laufe der Karriere fachlich weiterzubilden, wenn man für neue Fachthemen verantwortlich wird. Es wäre wünschenswert, dass sich beim Aufstieg in die Leitungsebene, mit der man Verantwortung für Mitarbeitende oder Teams übernimmt, die gleiche Weiterbildungsselbstverständlichkeit für Personalthemen durchsetzt. Offenbar gibt es in der Selbstwahrnehmung eine hohe Kompetenzvermutung, diesen Aufgaben auch ohne Weiterqualifizierung gerecht werden zu können. Eine interessante und im Effekt positive Entwicklung ist in diesem Zusammenhang die Veränderung hin zum Arbeitnehmermarkt: Mitarbeitende werden mobiler. Wenn sie sich in der Arbeitssituation nicht wohl fühlen, gehen sie weitaus schneller als das noch vor einigen Jahren der Fall war: Sie erwarten Entwicklungsmöglichkeiten. Die Arbeitgeber werden sich auf diese Erwartungshaltung einstellen müssen, wenn sie Talente gewinnen und binden wollen.
 

Heuel: Die Konkurrenz ist für die DSA größer geworden – andere Anbieter haben das Thema Stiftungen entdeckt und ihr Portfolio entsprechend erweitert.  Wie positioniert sich die DSA im Weiterbildungssektor?

Schuch: Ja, es gibt Konkurrenz – aber das belebt das Geschäft und inspiriert zu Innovation und Weiterentwicklung. Wir haben in der Vergangenheit beobachten können, dass andere Akteure versuchen, den Stiftungsmarkt für sich zu erschließen. Die Verortung und Struktur der Deutschen Stiftungsakademie ist jedoch eine Besonderheit, die kein anderer Anbieter kopieren oder nachahmen kann: Wir kommen aus dem Sektor für den Sektor. Getragen von den großen Verbänden des Stiftungswesen – also dem Stifterverband/DSZ und dem Bundesverband Deutscher Stiftungen – sind wir über unsere Gremien, die rund 50 Referierenden und die rund 1.700 Alumni, von denen wiederum viele im Stiftungssektor arbeiten, eng mit diesem verbunden.
Gleichzeitig sind wir eine gGmbH, die sich ausschließlich aus den Entgelten der Weiterbildungsveranstaltungen trägt. Das erfordert unternehmerisches Denken und Handeln. Und um am Markt erfolgreich zu sein, bedarf es Innovation und Weiterentwicklung. Wir können nicht einfach so vor uns hinarbeiten und machen, was wir schon immer gemacht haben – dann werden uns andere Anbieter überholen.

Es ist klar, dass man sich mit Veränderungen nicht nur Freunde macht; sie erzeugen Bedenken, Unsicherheiten, mitunter auch Widerstände. Aber da muss man durch, wenn man es ernst meint.

 
Heuel: Eine dieser Weiterentwicklungen ist vermutlich auch die neue Methodik-Didaktik. Was ist der DSA-Learning Experience Standard (DSA-LES)® und wodurch zeichnet er sich aus? 

Schuch: Das ist sicher der größte Veränderungsprozess, den wir seit Langem durchgemacht haben. Vor etwas mehr als zwei Jahren hat bei einer teaminternen Weiterbildung Prof. Dr. Silke Traub von der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe den Impuls gegeben, sich bei der Weiterentwicklung nicht nur auf eine gute Themenwahl und -aufbereitung zu fokussieren, sondern auch die Methodik-Didaktik in den Blick zu nehmen. Das klingt auf den ersten Blick wenig spektakulär, hat mich aber nicht mehr losgelassen. Die Rückmeldungen unserer Referierenden, die oft auch bei anderen Institutionen vortragen, haben mich verblüfft und bestärkt: Ganz überwiegend können sie vortragen, wie sie wollen, niemand begleitet sie bei der methodisch-didaktischen Konzeption. Gleichzeitig sehen sie sich selbst als Fachexpertinnen und -experten, die in der Regel weder eine Ausbildung in Methodik-Didaktik haben noch darin weitergebildet wurden.
 

Heuel: Und dann habt Ihr eine eigene Methodik entwickelt?

Schuch: Damit war es für mich ein strategisches Ziel, einen anwendungsorientierten Lernstandard für die DSA zu entwickeln und gemeinsam mit den Referierenden zu implementieren. Im Grunde ist alles, was man dafür braucht, in der Bildungsforschung und Innovationsmethodik gegeben – man muss es nur neu komponieren und auf die eigene Organisation und den spezifischen Kontext übertragen. Ausgehend von Design Thinking haben wir über zwei Jahre am Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam den DSA-Learning Experience Standard (DSA-LES)® entwickelt, Lehrmaterialien erarbeitet, die Referierenden geschult und Seminaragenden umgebaut.
Ehrlich gesagt war mir am Anfang nicht klar, welche enorme Veränderung das mit sich bringen wird – wenn man an einer Stellschraube etwas verändert, hat das Auswirkungen auf das ganze System – und aus einer Baustelle, für die man ein paar Monate rechnet, wurden zahlreiche Baustellen, die zwei Jahre benötigt haben. Das hat unser ganzes Team und die Referierenden viel Kraft gekostet. Aber es war mein Ziel, diesen Entwicklungsschritt bis zum Ende zu gehen.
Damit sind wir wieder am Anfang unseres Gesprächs, wo wir über Zukunftsfähigkeit gesprochen haben: Wir haben uns als DSA auf diese Veränderung eingelassen – und es ist klar, dass man sich mit Veränderungen nicht nur Freunde macht; sie erzeugen Bedenken, Unsicherheiten, mitunter auch Widerstände. Aber da muss man durch, wenn man es ernst meint. Das war nicht immer leicht, aber ich bin meinem Team, den Referierenden und unseren Gremien sehr dankbar und stolz darauf, diesen Innovationsschritt gemeinsam geschafft zu haben.
 

Heuel: Und ganz konkret: Welche Veränderungen und Innovationen erwarten Teilnehmerinnen und Teilnehmer fortan in Online- und Präsenzveranstaltungen der DSA durch den neuen Standard?

Schuch: Es ist unser Ziel, Menschen, die in Stiftungen tätig sind, weiter zu qualifizieren und zu professionalisieren, damit sie durch souveränes Handeln bestmöglich für das Gemeinwohl wirksam werden können. Das Wissen ist nicht Selbstzweck, sondern der Hebel zur Ausprägung von Handlungskompetenzen. Deshalb läuft die Vermittlung interaktiv, diskursiv, praxisrelevant und anwendungsorientiert.
Ganz konkret bedeutet das, dass sich für die Teilnehmenden Input- mit Erfahrungsphasen abwechseln, in denen das Wissen sortiert, verinnerlicht und wiederholt wird, das Erlernte in praktischen Übungen angewendet wird und die Inhalte diskutiert und Erfahrungen und Erkenntnisse ausgetauscht werden. Unterstützt wird dies durch Methodenmaterialien.
Das Feedback der Teilnehmenden und Referierenden und die Evaluationen sind eindeutig: Das Lernen und Lehren machen Freude und die Teilnehmenden gehen mit dem guten Gefühl nach Hause, Zeit und Geld gut investiert und viel für die eigenen beruflichen Herausforderungen mitgenommen zu haben. Das ist doch großartig, oder? Wer mehr erfahren will, sollte am besten einen unserer Lehrgänge besuchen!
 

Heuel: Lieber Gereon, ich danke dir für das Gespräch.
 

Das Interview erschien im Fachmagazin Stiftung&Sponsoring, Ausgabe 3/2025.

 

Gereon Schuch (Foto: HPI)

ZUR PERSON

Gereon Schuch ist seit 2018 Geschäftsführer der Deutschen Stiftungsakademie. Davor hat er beim Bundesverband Deutscher Stiftungen über zwei Jahre das ThinkLab Deutscher Stiftungen entwickelt und durchgeführt. Von 2013 bis 2016 war der in Bildungsgeschichte promovierte Osteuropahistoriker stellvertretender Direktor des Policy Think Tanks der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), bereits seit 2004 hatte er dort die Leitung des Robert-Bosch-Zentrums für Mittel- und Osteuropa inne. Von 1998 bis 2002 arbeitete Gereon Schuch an der Universität Pécs/Ungarn.

 

 

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