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Ein Tochterunternehmen des Stifterverbandes

"Es braucht gemeinsames Wirken, um gesellschaftliche Transformations­prozesse zu gestalten"

Katarina Peranić, Gründungsvorständin der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt, im Gespräch mit Dr. Markus Heuel, Mitglied der DSZ-Geschäftsleitung, im Fachmagazin Stiftung&Sponsoring

Liebe Frau Peranić, die Vernetzung von engagierten Bürgerinnen und Bürgern ist ein Kernthema Ihrer Arbeit – jetzt als Vorständin der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE), aber auch zuvor in Ihrer Zeit als geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Stiftung Bürgermut. Woher kommt Ihr besonderes Interesse, Menschen miteinander zu verbinden?

Die Vernetzung von engagierten Menschen schafft Synergien, fördert den Wissensaustausch und stärkt die Zivilgesellschaft insgesamt. Mein besonderes Interesse an dieser Thematik gründet daher in der Überzeugung, dass gemeinschaftliches Handeln eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen spielt.

In meiner beruflichen Laufbahn habe ich die transformative Wirkung erlebt, die entsteht, wenn Menschen ihre Kräfte bündeln und gemeinsam an Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen arbeiten. Die Vernetzung von engagierten Menschen ermöglicht einen breiteren Austausch von Ideen, Ressourcen und Erfahrungen, was zu kreativen Lösungsansätzen führen kann.

Einige Beispiele, die ich nennen möchte, sind das Programm "openTransfer", das ich bei der Stiftung Bürgermut ins Leben rufen durfte, oder "transform_D" der DSEE. Diese Programme zielen darauf ab, Wissenstransfer und das gemeinsame Wirken in diversen Feldern – von Digitalisierung, gesellschaftlichen Zusammenhalt über Nachhaltigkeit bis hin zu (oftmals digitalen) Hilfen für Geflüchtete – in die Skalierung zu bringen. Durch die Schaffung von Plattformen und Netzwerken wird nicht nur der Austausch erleichtert, sondern auch die Möglichkeit geschaffen, bewährte Praktiken und innovative Ansätze zu verbreiten und somit einen nachhaltigen Einfluss auf verschiedene gesellschaftliche Bereiche auszuüben.

In meiner beruflichen Laufbahn habe ich die transformative Wirkung erlebt, die entsteht, wenn Menschen ihre Kräfte bündeln.

 
 
Welche Schlüsselfaktoren gibt es beim Aufbau einer Community? Was sind Ihrer Erfahrung nach "Must-dos", um Gleichgesinnte zusammenzubringen und langfristig zu verbinden?

Zentral sind eine klare Mission und klare Werte, die die Basis für gemeinschaftliches Handeln bilden. Viele nutzen auch gerne den Begriff der Wirkungsorientierung. Dies schafft nicht nur eine einheitliche Ausrichtung, sondern auch einen gemeinsamen Nenner für alle Mitglieder – es entstehen Communities of Practice. Die Partizipation ist dabei von essenzieller Bedeutung. Eine aktive Beteiligung, sei es durch Diskussionen, gemeinsame Projekte oder Ideenaustausch, fördert das Engagement und das Gefühl der Zugehörigkeit. 

Die Schaffung einer geeigneten Plattform für den Austausch von Ideen, Ressourcen und Erfahrungen ist ein weiterer Schlüsselfaktor. Dies kann eine Online-Plattform, regelmäßige Veranstaltungen wie Barcamps oder Workshops umfassen, die den Informationsaustausch erleichtern und die Vernetzung fördern. Gleichzeitig ist die Vielfalt innerhalb der Community zu fördern, da sie unterschiedliche Perspektiven und Lösungsansätze hervorbringt.

Katarina Peranić (Foto: Benjamin Jenak)
Foto: Benjamin Jenak
Katarina Peranić

 
Die DSEE hat sich bundesweit zu einem wichtigen Partner für Engagierte und die Zivilgesellschaft entwickelt. Wie stehen Sie im Austausch mit Ihrer Community?

Der Austausch mit unserer Community ist für die DSEE von zentraler Bedeutung und bildet die Grundlage für die Entwicklung passgenauer Angebote, die den Bedürfnissen der Basis, insbesondere kleinerer Organisationen und Vereinen, gerecht werden. In den vergangenen knapp vier Jahren haben wir verschiedene strategische Ansätze verfolgt, um diesen Dialog zu fördern.

Durch Veranstaltungen, digitale Plattformen und persönlichen Kontakt hören wir genau hin und erkennen die Bedürfnisse kleinerer Organisationen. Strukturierte Umfragen und informelle Gespräche ermöglichen einen kontinuierlichen Dialog. Vor-Ort-Besuche bei den Engagierten, gerade in ländlichen Räumen, sind für mich persönlich sehr wichtig. Das vertrauensvolle Gespräch hilft, die vielfältigen Perspektiven und Herausforderungen zu verstehen. Dieser offene Austausch beeinflusst maßgeblich die Entwicklung unserer Angebote und stärkt die Partnerschaft mit Engagierten und der Zivilgesellschaft.
 

Der zentrale Auftrag der DSEE ist die Stärkung und Förderung des bürgerschaftlichen Engagements und des Ehrenamtes, insbesondere in strukturschwachen und ländlichen Räumen. Mit welchen Strategien und Praktiken kann es gelingen, in diesen Regionen Nachwuchs für Engagement zu gewinnen und langfristig zu binden?

Eine One-Fits-All-Lösung zur Nachwuchsgewinnung gibt es leider nicht. Jeder Verein, jede Gruppe, jede Organisation ist einzigartig und muss jeweils eigene Wege finden, neue Engagierte zu gewinnen und einzubinden. Wichtig ist hier, den Wissenstransfer zu fördern, ganz im Sinne der oben beschriebenen Communities of Practice.

Mit dem Programm "Engagiertes Land" tut die DSEE genau das: Wir fördern Gemeinschaftsinitiativen für Engagement und Beteiligung in strukturschwachen Kommunen mit bis zu 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, um so die lokale Zivilgesellschaft mit Wirtschaft, Politik und Verwaltung zusammenzubringen. Denn genau dieses gemeinsame Wirken braucht es, um gesellschaftliche Transformationsprozesse wie den demographischen Wandel vor Ort zu gestalten.
 

Die DSEE hat den ZiviZ-Survey 2023 gefördert. Ein Ergebnis der Befragung: Zivilgesellschaftliche Organisationen bilden die gesellschaftliche Vielfalt zu wenig ab. Lediglich elf Prozent der Organisationen geben an, Engagierte mit unterschiedlichen kulturellen Prägungen zu haben, nur 21 Prozent berichten von sozialer Diversität unter den Engagierten. Wie können sich Organisationen öffnen und ihre Community durch neue Zielgruppen erweitern? Und mit welchen Angeboten unterstützt die DSEE die Diversität in der Zivilgesellschaft?

Zunächst ist es wichtig, Vielfalt als Chance und Gewinn zu verstehen. Diversität unter den Engagierten bietet nicht nur eine Vielzahl an Perspektiven, die zur Entwicklung wirksamer Lösungsansätze wichtig sind, sondern auch den Zugang zu unterschiedlichen Communities.

Die Öffnung hin zu mehr Vielfalt kann mit kleinen Schritten beginnen. Es hilft schon zu fragen, wie sich der eigene Verein nach außen präsentiert: Sprechen die Texte und Bilder, Videos und Grafiken die Zielgruppe wirklich an? Wichtig ist, sich selbst kritisch zu hinterfragen.

Die DSEE unterstützt dabei mit vielfältigen Informations- und Qualifizierungsangeboten – zum Beispiel mit Online-Seminaren in der Reihe "#DSEEerklärt", thematischen Digitalkonferenzen oder Workshops bei unseren Summits.

Katarina Peranić auf dem Podium beim Transform Summit (Foto: bundesfoto.de)
Foto: bundesfoto.de
Katarina Peranić (re.) auf dem Podium beim "transform_D Summit"

 
Der ZiviZ-Survey zeigt außerdem, dass weniger als die Hälfte der NPOs junge Engagierte unter 30 Jahren in Leitungspositionen haben. Hat das Ehrenamt ein Nachwuchsproblem? Wie reagiert die DSEE auf diese Entwicklung?

Dass sich ehrenamtliche Leitungspositionen trotz allgemein sehr hoher Engagementbereitschaft immer schwerer besetzen lassen, ist aus verschiedenen Studien bekannt. Besonders das Ehrenamt in stark formalisierten Organisationsformen wirkt zusehends unattraktiv, weil es mit hoher bürokratischer Belastung verbunden ist. Nach einer Erhebung des Normenkontrollrates Baden-Württemberg verbringt der Vorstand eines mittelgroßen Vereins rund 42 Tage im Jahr allein mit der Bewältigung bürokratischer Anforderungen.

Nichtsdestotrotz gibt es junge Engagierte, die Lust haben, mehr Verantwortung im Ehrenamt zu übernehmen. Mitunter fehlt es ihnen aber an Wissen, Handwerkszeug und dem nötigen Rückenwind, um den nächsten Schritt in ihrer "Engagement-Karriere" zu machen. Mit dem Programm "FuturE" unterstützen wir junge Engagierte zwischen 18 und 27 Jahren auf ihrem Weg in ehrenamtliche Leitungspositionen.
 

Sie, liebe Frau Peranić, denken Digitalisierung und Gemeinwohl zusammen – in Ihrer Zeit bei der Stiftung Bürgermut zum Beispiel durch die Entwicklung des Digital Social Summits oder auch jetzt bei der DSEE im Rahmen von "transform_D" oder "100xDigital". Warum ist es wichtig, dass die Zivilgesellschaft den digitalen Wandel mitgestaltet?

Die Zivilgesellschaft sollte in Transformationsprozessen – neben der Digitalisierung adressieren wir mit "transform_D" ja auch andere Veränderungen, wie den Klimawandel und die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts – eine wesentliche Rolle spielen. Im digitalen Wandel war es lange so, dass die breite Mitte der Zivilgesellschaft hier vor allem zu den pragmatisch Nutzenden digitaler Technologie zählten (siehe Dritter Engagementbericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Seite 110). Die Konsequenz sind vor allem proprietäre Software-Produkte, die vorrangig für ressourcenstarke Akteure gestaltet wurden und die sich kleine, ehrenamtlich getragene Organisationen gar nicht leisten können.

Das muss sich ändern! In der Zivilgesellschaft, im Miteinander von Vereinen und Gruppen werden gesellschaftliche Veränderungsprozesse vor Ort moderiert. Die Nutzung oder Nicht-Nutzung von Software-Produkten ist nur ein Teil. Es geht auch darum, die Technologie aktiv mitgestalten zu können – zum Beispiel durch Investitionen in Open-Source-Software, wie CiviCRM, ein wiederkehrendes Thema im Programm "100xDigital".
 

Digitale Anwendungen ermöglichen es Menschen, sich zu vernetzen und geographische Grenzen zu überwinden. Gleichzeitig können sie aber auch zur Abschottung beitragen, indem man sich vor allem mit Gleichgesinnten umgibt und in der eigenen Blase bleibt. Wie geht die DSEE mit diesem Spannungsverhältnis um?

Zunächst ist nichts Schlechtes daran, sich mit Gleichgesinnten zu umgeben. Problematisch wird es, wenn die selbst oder algorithmisch gezogenen Grenzen zu starr sind und den Austausch mit anderen verunmöglichen. In den Sozialen Medien lässt sich zuweilen beobachten, dass sich solche Blasen bilden. Aber auch im "Real Life" gibt es sie: Engagementbereiche und Sektoren bleiben viel zu oft für sich. Dabei könnten Kirche und Sport viel voneinander lernen.

Bei der DSEE schaffen wir hier Angebote und Strukturen, wie die "Volunteer Akademie", einer Art Plattform für die Qualifizierung bürgerschaftlich Engagierter bei Großevents. Und auch zu Veranstaltungen wie dem "transform_D Summit" laden wir ganz unterschiedliche Akteure aus der organisierten Zivilgesellschaft ein – Aktivistinnen und Aktivisten genauso wie Vertreterinnen und Vertreter der Freien Wohlfahrtspflege.

Insbesondere, was das Miteinander zwischen Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung anbelangt, hoffe ich auf mehr Anerkennung und Wertschätzung für Engagement und Ehrenamt.

 

Welche Rolle spielen die Sozialen Medien und Online-Plattformen im Prozess des Community-Managements, und wie können NPOs diese effektiv nutzen, um eine aktive Community zu pflegen?

Die Sozialen Medien sind definitiv ein wichtiger Raum für die Zivilgesellschaft. Auch die Nutzung Sozialer Medien ist ein wiederkehrendes Thema im DSEE-Programm "100xDigital". Zumeist geht es darum, den Schritt in die Sozialen Medien mit einem klaren Konzept zu gehen. Wenn es "nur" um die Information über eigene Angebote geht, ist das natürlich etwas anderes, als wenn es um das Community-Building geht. Ein klarer Fokus, gute Geschichten und praktische Mitmachangebote sind immer wichtig.

Zudem sollten Nonprofits im Management ihrer Kommunikation für und mit der Community agil bleiben. Insbesondere sollten immer wieder neue Formate pilotiert werden. Das können ganz kleine Sachen sein, wie ein besonderer Hashtag für Veranstaltungen. Wichtig finde ich hier anhand kleiner, funktionierender Prototypen immer weiter dazuzulernen: Was funktioniert? Was funktioniert nicht? Wo machen die Leute mit? Wo kommt vielleicht nicht so viel zurück, wie erhofft?
 

Unsere Gesellschaft steht vor großen Transformationsprozessen. Es braucht eine starke Zivilgesellschaft, um den Wandel aktiv mitzugestalten – doch die Rahmenbedingungen sind nicht immer ideal. Welche Anregungen für die Politik haben Sie für 2024 auf Ihrer Agenda?

Im Jahr 2024 stehen einige Neuerungen an: Das neue Zuwendungsempfängerregister kommt und die neue Engagementstrategie des Bundes wird finalisiert. Ich wünsche mir, dass die Anregungen und Hinweise, die wir im Beteiligungsprozess zur neuen Engagementstrategie gesammelt haben, zum Tragen kommen. Insbesondere, was das Miteinander zwischen Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung anbelangt, hoffe ich auf mehr Anerkennung und Wertschätzung für Engagement und Ehrenamt.
 

Im kommenden Jahr feiert die DSEE ihr fünfjähriges Jubiläum. Was wollen Sie bis dahin auf jeden Fall erreicht haben?

Zu unserem fünften Geburtstag wünsche ich mir, dass die DSEE für Engagement und Ehrenamt in Deutschland nicht mehr wegzudenken ist, weil sie immer wieder bedarfsgerechte Angebote macht – Vernetzung-, Qualifizierungs- und Informationsangebote ebenso wie Förderprogramme.
 

Herzlichen Dank für das Gespräch!
 

ZUR PERSON

Katarina Peranić ist Gründungsvorständin der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. Die gebürtige Stuttgarterin mit kroatischen Wurzeln hat Politikwissenschaften in Marburg und Berlin studiert und ist zertifizierte Stiftungsmanagerin (DSA). Als geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Stiftung Bürgermut hat sie verschiedene Programme mit bundesweiter Wirkung initiiert und aufgebaut. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen auf dem Wissenstransfer und der Skalierung sozial-digitaler Innovationen an der Schnittstelle zwischen Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft. Katarina Peranić setzt sich insbesondere für das Gelingen laufender und anstehender gesellschaftlicher Transformationsprozesse ein.

Stiftung&Sponsoring (Logo)

Als führende Grantmaking-Zeitschrift im deutschsprachigen Raum widmet sich Stiftung&Sponsoring dem gesellschaftlich wichtigen Feld gemeinnütziger Aktivitäten aus der Sicht der Stifter, Spender und Sponsoren, der Macher und Mitarbeiter: Mit viel Praxisorientierung und hoher fachlicher Kompetenz, national und international. Das Fachmagazin bietet Beiträge zu aktuellen Praxisthemen aus Stiftungsmanagement, Stiftungsrecht und Steuerrecht, Fördertätigkeit und Vermögensverwaltung, Marketing und Kommunikation, außerdem Interviews mit bekannten Persönlichkeiten, Branchennews und Rezensionen. Spezialdossiers zu aktuellen Themen sind in der regelmäßigen Fachbeilage "Rote Seiten" zu finden.

 

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