Ein Tochterunternehmen des Stifterverbandes Alle Seiten

Ein Tochterunternehmen des Stifterverbandes

Das Lobbyregistergesetz nach über einem Jahr des Inkrafttretens aus der Sicht von NPOs

Mattheo Ens und Lisa Böttcher ziehen eine Zwischenbilanz zum Lobbyregistergesetz und stellen den neuen Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, der zum 1. Januar 2024 in Kraft treten könnte.

Das Lobbyregistergesetz ist zum 1. Januar 2022 in Kraft getreten. Die ersten Eintragungen in das Register mussten zum 28. Februar 2022 vorgenommen werden. Das Gesetz enthält unterschiedliche Maßnahmen mit dem Ziel, die Lobbyarbeit mit hohen Transparenzerfordernissen in Einklang zu bringen. Diese ergeben sich insbesondere aus dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit an politischer Einflussnahme durch einzelne Interessenvertreterinnen und -vertreter. Denn diese vertreten naturgemäß ausschließlich die Individualinteressen einer Gruppe/Branche mit dem Ziel, für sie günstigere (gesetzliche) Rahmenbedingungen zu schaffen, wodurch ggf. Kollektivinteressen oder gegenläufige Interessen unterwandert werden könnten. Die Überwachung der strukturellen politischen Einflussnahme durch Dritte ist daher ein wesentlicher und wichtiger Beitrag zur Wahrung der demokratischen Grundordnung.

Seit dem Inkrafttreten sind nun fast eineinhalb Jahre vergangen. Es sind nach aktuellem Stand im April 2023 bereits mehr als 5.800 Lobbyakteure eingetragen und es kommen täglich weitere hinzu bzw. es werden Aktualisierungen vorgenommen. Auch viele gemeinnützige Organisationen sind bereits transparent registriert. Es ist daher an der Zeit für ein Zwischenfazit – insbesondere für den gemeinnützigen Sektor.

Dies gilt insbesondere, weil nunmehr ein neuer Gesetzesentwurf der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vorgelegt worden ist. Über diesen hat der Bundestag bereits am 23. Juni 2023 debattiert, eine Entscheidung wurde allerdings vertagt, da nun eine federführende Beratung durch den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu erfolgen hat. Der neue Gesetzesentwurf soll ab dem 1. Januar 2024 gelten.

 

1. Warum sind NPOs im Lobbyregister?

In das Lobbyregister müssen sich grundsätzlich alle natürlichen Personen, Unternehmen und Organisationen eintragen, die Kontakt zu Mitgliedern des Bundestages oder der Bundesregierung aufnehmen, um Einfluss auf politische Prozesse zu nehmen. Auch Non-Profit-Organisationen betreiben vereinzelt Lobbyarbeit, um sich für Ziele zur Stärkung des zivilgesellschaftlichen oder ehrenamtlichen Engagements einzusetzen. So etwa im Rahmen der ständig anhaltenden Reformdebatte des Gemeinnützigkeitsrechts. Im Fokus stehen dabei Überlegungen übersteigerte Bürokratieanforderungen abzubauen, um spendenbasierte und ehrenamtliche Tätigkeit auch effizient und kostengünstig erledigen zu können. Als bekanntes Beispiel sei nur die Flutkatastrophe im Ahrtal genannt, bei welcher finanzielle Hilfen von gemeinnützigen Organisationen in einigen Fällen u.a. wegen fehlender (steuerlicher) Nachweise nicht genutzt werden konnten, was im Einzelfall zu Verzögerungen dringend benötigter Katastrophenhilfe führte.

 

2. Die Eintragung der Spenderinnen und Spender

Es ist daher nachvollziehbar, dass auch NPOs ins Lobbyregister eingetragen werden müssen, sofern sie auch Lobbyarbeit betreiben. Allerdings sind NPOs derzeit noch in besonderem Maße vom Lobbyregistergesetz betroffen. Denn die Eintragung umfasst auch die Pflicht zur Veröffentlichung aller Spenden in Höhe von mehr als 20.000 Euro sowie die Nennung der Namen der Spenderinnen und Spender. Für Spenden aus dem Jahr 2021, die erstmalig zum 28. Februar 2022 eingetragen werden mussten, bestand noch die Möglichkeit, die Angaben zu den natürlichen Personen zu anonymisieren, da mangels rückwirkender Einwilligungsmöglichkeit eine andere DSGVO-konforme Regelung nicht in Betracht kam. Zum 30. Juni 2023 müssen jedoch alle Lobbyakteure ihre Eintragungen aktualisieren und alle Spenderinnen und Spender des Jahres 2022 mit Klarnamen veröffentlichen. Zum Vergleich: Mitgliedsbeiträge von Vereinsmitgliedern müssen ausweislich des Handbuchs zum Gesetz nicht eingetragen werden.

Der neue Entwurf wird – wenn er denn positiv beschlossen wird – die Situation für einige NPOs entschärfen. Veröffentlicht werden müssen Spenden danach nur noch ab einem Betrag von 10.000 Euro, wenn diese zehn Prozent der Gesamtsumme der Schenkungen und sonstigen lebzeitigen Zuwendungen im jeweiligen Geschäftsjahr“ einer Organisation übersteigen. Beides muss kumulativ vorliegen. Nach der neuen Regelung müssen zwar zusätzlich auch Mitgliedsbeiträge angegeben werden,  es sind aber auch nur Mitglieder betroffen, die jeweils mindestens zu zehn Prozent den Beitragshaushalt einer Organisation finanzieren. Damit wären wohl große Organisationen privilegiert, wohingegen kleinere weiterhin davon betroffen wären. 

Unter "Schenkungen" bzw. "lebzeitigen Zuwendungen" werden nach der Gesetzesbegründung jegliche Arten von Zuwendungen privater Dritter verstanden. Künftig, d.h. ab dem 1. Januar 2024, sind auch Zuwendungen umfasst, die von einer Gegenleistung abhängen oder für die ein werblicher/öffentlichkeitswirksamer Vorteil erreicht wird ("Sponsoring"). Als Referenzgröße dient damit die Summe der jährlichen Spenden- und Sponsoringeinnahmen. Nicht erfasst werden Vermächtnisse und Schenkungen von Todes wegen.

 

3. Kritik an verfehlter Spenden-Schwelle

Die aktuelle Regelung wurde von einigen Organisationen des gemeinnützigen Sektors scharf kritisiert (Überreporting). Vor dem Hintergrund der Veröffentlichung der genauen Höhe der Spenden und der jeweiligen Namen der Spenderinnen und Spender werden negativen Folgen befürchtet. So werde philanthropisches Handeln nicht zwingend wertgeschätzt. Es kann zu etwaigen (Rechts-)Streitigkeiten mit Familienangehörigen, Neid aus dem Umfeld und massiven Spendenanfragen von anderen spendensammelnden Akteuren kommen. Dies könnte als mittelbare Folge zu einem spürbaren Spendenrückgang und daraus folgenden Finanzierungsschwierigkeiten des zivilgesellschaftlichen Engagements führen. Zudem sei diese Regelung in der Form nicht erforderlich, da eine Spende grundsätzlich nicht zur Finanzierung politischer Interessensvertretung genutzt werden darf (Mittelverwendungsgebot für die satzungsmäßigen Zwecke). Zwar kann über eine Spende auch politisch Einfluss geübt werden, aber bei sehr großen spendensammelnden Organisationen ist eine Spende in Höhe von 20.000 Euro wohl kein geeignetes Mittel der Beeinflussung. Die Grenze könnte daher aus Sicht vieler gemeinnütziger Organisationen höher gesetzt werden. Auch ein Vergleich mit dem Lobbyregister der Europäischen Union ist insoweit lohnenswert. Denn nach den dortigen Regelungen wird ein Zusammenhang von Lobbyfinanzierung und Spende gesetzlich nur unterstellt, wenn die Spende mindestens zehn Prozent der Gesamteinnahmen der spendensammelnden Organisation ausmacht.

Der Forderung durch die gemeinnützigen Organisationen wurde im neuen Gesetzesentwurf gefolgt.

 

4. Weiterer Reformbedarf

Unabhängig von diesem Spendenthema wurden jedoch weitere Lücken und Schwächen des Registers festgestellt (Unterreporting). So wird insbesondere kritisiert, dass das Register zwar transparent macht, wer Lobbyarbeit betreibt, aber oft nicht ersichtlich ist, für wen oder wozu genau ein Interessensvertreter tätig ist. Denn es sind keine genauen Angaben dazu zu machen, bei welchen Gesetzgebungsverfahren die Interessensvertreterinnen und -vertreter tatsächlich Einfluss nehmen wollen. Der genaue Auftrag eines Lobbyakteurs und dessen finanzielles Volumen müssen nicht transparent gemacht werden. In einem Vergleich mit dem Transparenzregister der EU ist das deutsche Lobbyregister daher nochmal anpassungsbedürftig. 

Durch den neuen Gesetzesentwurf wurde der Umfang der Pflichtangaben erweitert. Nunmehr sind auch der konkrete Lobbyauftrag (bspw. das zu beeinflussende Gesetzesvorhaben) und die Kosten dafür anzugeben. Lobbyorganisationen müssen ihre Gesamtfinanzierung in Kategorien und den finanziellen Aufwand der Lobbytätigkeit angeben. Auch sogenannte Drehtüreffekte (Wechsel von Mandats-/Amtsträger in Lobbyarbeit) sind offenzulegen. Da sich Interessenvertreterinnen und -vertreter bei Kontaktaufnahme auf Regierungsseite häufig unmittelbar an die Arbeitsebene wenden, sollen nunmehr auch Kontakte zur Referatsebene relevant werden, sodass der Anwendungsbereich im Ergebnis erweitert werden soll.

 

5. Gesetzesreform und Übergangsregelung

Bestehende Registereintragungen müssen laut Gesetzesbegründung grundsätzlich bis zum 30. Juni 2024 "auf Grundlage der neuen gesetzlichen Vorgaben" angepasst werden. Diese Frist gilt auch für Angaben, die bisher verweigert worden sind. Organisationen, die Angaben zum 30. Juni 2023 verweigert haben, müssen diese also nach den neuen Bestimmungen (Zehn-Prozent-Grenze) nachholen. Überschreitet daher eine Spende des Jahres 2022 die damals geltende 20.000 Euro Grenze, fällt jetzt aber wegen der 10%-Grenze aus dem Raster, muss keine Eintragung mehr erfolgen.

Auch bei erforderlichen Angaben gibt es aber eine Schonfrist. Denn soweit diese aus dem letzten abgelaufenen Geschäftsjahr (d.h. 2023) noch nicht vorliegen, genügt es, wenn die aus dem vorletzten abgelaufenen Geschäftsjahr (d.h. 2022) aktualisiert bzw. ergänzt werden. Dies betrifft laut Gesetzesbegründung v.a. die neue Verpflichtung zur Angabe von Mitgliedsbeiträgen. Einen darüberhinausgehenden Vertrauensschutz für vereinnahmte Mitgliedsbeiträge aus den Vorjahren gibt es jedoch nicht.

Neue Sanktionsmaßnahme: Bei fehlender fristgerechter Aktualisierung wird der Eintrag am 1. Juli 2024 automatisch auf die Liste früherer Interessenvertreterinnen und -vertreter, die neben dem Register besteht, übertragen. Die auf dieser Liste geführten Eintragungen werden innerhalb bestimmter Fristen gelöscht.

Ausnahme: Schenkungen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes, also vor dem 1. Januar 2024, erfolgt sind, dürfen weiterhin in anonymisierter Form angegeben werden (§ 8 Abs. 3 LobbyRG). Dieser Vertrauensschutz gilt nach dem Wortlaut aber nur für Spenden, nicht für Mitgliedsbeiträge. 
Es wäre begrüßenswert, wenn mit dem neuen Gesetzesentwurf darüber hinaus auch das Handbuch zur Anwendung des Lobbyregistergesetzes aktualisiert werden würde, das schon zum aktuellen Gesetz einige wertvolle Klarstellungen und Hinweise enthalten hat.

 

6. Verweigerung als Option und Folgen

Bis zum 1. Januar 2024 ist es weiterhin möglich, die Eintragung der Spenderinnen und Spender zu verweigern. Diese betrifft die Angaben für das Jahr 2022, die eigentlich bis zum 30. Juni 2023 hätten vorgenommen werden müssen. Die Verweigerung wird im Register transparent gemacht und der Eintrag in einer gesonderten öffentlichen Liste ausgewiesen. Diese kann auch eine schlüssige und nachvollziehbare Begründung enthalten, die ebenso veröffentlicht wird. Damit gehen allerdings auch "Sanktionen" einher. Die wichtigsten kurz zusammengefasst:

  • Die Bezeichnung "registrierte Interessenvertreterin" oder "registrierter Interessenvertreter" darf nicht öffentlich geführt werden.
  • Eine Teilnahme an öffentlichen Anhörungen der Ausschüsse des Deutschen Bundestages soll nicht erfolgen.
  • Eine Beteiligung an Gesetzesvorlagen soll nicht erfolgen.
  • Der Deutsche Bundestag kann die Erteilung von Zugangsberechtigungen schon allein wegen der Verweigerung ablehnen.

Eine Verweigerung der Angaben sollte daher im Vorfeld gut überlegt sein.

Die Möglichkeiten zur Verweigerung von Angaben und der Anonymisierung von Spendernamen sollen nach dem neuen Gesetzesentwurf wegfallen. Damit soll das Register vollständiger werden.

 

KURZ & KNAPP

Das deutsche Lobbyregister ist kein zahnloser Tiger, sondern ein guter erster Schritt mit dem Ziel der Erfüllung einer wichtigen Transparenzfunktion zur Wahrung des demokratischen Prozesses bei der politischen Willensbildung. Es besteht jedoch an einigen Stellen noch Überarbeitungsbedarf. Der neue Gesetzesentwurf ist daher ein gutes Zeichen und lässt eine positive Tendenz erkennen. Ob darüber hinaus nochmals weitere Änderungen erfolgen, bleibt abzuwarten.

 

Mattheo Dominik Ens ist Syndikus-Rechtsanwalt im Team "Recht und Steuern" des DSZ.
Lisa Böttcher ist Diplom-Juristin im Team "Recht und Steuern" des DSZ.

Eine frühere Version des Artikels ist im Magazin Stiftung&Sponsoring 3/2023 erschienen.