Ein Tochterunternehmen des Stifterverbandes Alle Seiten

Ein Tochterunternehmen des Stifterverbandes

Neues Gesetz erleichtert digitale und hybride Beschlussfassung in Stiftungen und Vereinen

Dank einer Gesetzesänderung bleiben virtuelle und hybride Sitzungen von Vereinen und Stiftungsgremien möglich – auch ohne Satzungsänderung.

Knapp ein halbes Jahr nach dem Auslaufen der Corona-Sonderregelungen für Vereine und Stiftungen hat der Bundestag in seiner Sitzung am 9. Februar 2023 das Gesetz zur Ermöglichung digitaler Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht beschlossen. Am 3. März 2023 folgte die Ratifizierung im Bundesrat. Damit dürfen Vereine und Stiftungen des Bürgerlichen Rechts zukünftig Sitzungen nach vorheriger Beschlussfassung des zuständigen Organs auch in rein digitaler und hybrider Form – unabhängig von einer entsprechenden Satzungsregelung – durchführen. Mitglieder können ihre Rechte sowohl in Präsenz als auch virtuell ausüben.
 

Was ist der Hintergrund der Gesetzesänderung?
In seiner alten Fassung (a.F.) setzte das Gesetz Präsenzsitzungen für eine wirksame Beschlussfassung im Vereins- und Stiftungswesen voraus (vgl. § 32 Abs. 2 BGB a.F.). Diese gesetzliche Maßgabe bildete allerdings – spätestens seit den Entwicklungen und Erfahrungen in der Corona-Zeit – nicht mehr die tatsächlichen Verhältnisse ab. Mit der neuen Regelung (n.F.), die eine digitale oder hybride Mitgliederversammlung unabhängig von einer entsprechenden Regelung in der Vereins- oder Stiftungssatzung nach entsprechender Beschlussfassung ermöglicht, möchte der Gesetzgeber die Mitgliedschaftsrechte (in Vereinen) stärken und ehrenamtliches Engagement fördern.
 

Die Gesetzesänderung im Wortlaut
Relevant ist die Ergänzung des neuen Absatzes 2 im Paragraphen 32 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):
"(2) Bei der Berufung der Versammlung kann vorgesehen werden, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können (hybride Versammlung). Die Mitglieder können beschließen, dass künftige Versammlungen auch als virtuelle Versammlungen einberufen werden können, an der Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre anderen Mitgliederrechte ausüben müssen. Wird eine hybride oder virtuelle Versammlung einberufen, so muss bei der Berufung auch angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können."
Die Regelung gilt über die Verweisung durch Paragraph 28 BGB bzw. Paragraph 86 Satz 1 BGB auch für Sitzungen von mehrköpfigen Vereins- und Stiftungsvorständen (vgl. Drucksache 22/5585, Seite 10).
 

Was ist mit "elektronischer Kommunikation" gemeint?
Unter elektronischer Kommunikation versteht der Gesetzgeber
●  Videokonferenzen,
●  Telefonkonferenzen,
●  Meinungsaustausch per Internetdialog ("Chat")
●  und/oder Abstimmung per E-Mail.
Die verantwortlichen Organmitglieder werden bei der Auswahl der elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten berücksichtigen müssen, ob das notwendige Maß an Identitätsprüfung, Datenschutz und Dokumentationssicherheit sichergestellt ist. Beispielsweise wird dies bei Kommunikationsmitteln wie WhatsApp oder E-Mail regelmäßig schwierig sein.
 

Stolperfallen: Was ist in Bezug auf die neuen Vorschriften zu beachten?
Im Rahmen der Corona-Sonderregelungen bestand die Möglichkeit, Organsitzungen per se digital abzuhalten. Der neue Gesetzestext schränkt diese Freiheit wieder ein. Entscheidend ist hier das Wort "künftige" in Paragraph 32 Absatz 2 Satz 2 BGB n.F. ("Die Mitglieder können beschließen, dass künftige Versammlungen auch als virtuelle Versammlungen einberufen werden können, an der Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre anderen Mitgliederrechte ausüben müssen.") Der Satz stellt klar, dass eine Ermächtigung nach Paragraph 32 Absatz 2 Satz 1 BGB n.F. nur für zukünftig stattfindende Versammlungen respektive Sitzungen getroffen werden darf, nicht hingegen für die Versammlung, in der der Beschluss für Sitzungen im Wege der elektronischen Kommunikation gefasst wird. Insoweit bedarf es für eine zukünftig rein "digitale" oder "hybride" Beschlussfassung in dem jeweiligen Organ zunächst einer Präsenzsitzung, in der die "zukünftige" neue Beschlussfassung in Präsenz beschlossen wird.

Paragraph 32 Absatz 2 Satz 3 BGB n.F. sieht zudem vor, dass bei der Einberufung bzw. Einladung angegeben werden muss, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können. Diese Vorgabe birgt in der Praxis die Gefahr, dass eine spätere Beschlussfassung aufgrund der Nichteinhaltung dieser Vorgabe in der Versammlungs- oder Sitzungseinladung gegebenenfalls angegriffen werden kann.

Schließlich scheint der Gesetzgeber "vergessen" zu haben, Umlaufbeschlüsse mit Hilfe von digitalen Kommunikationsmitteln zu ermöglichen. So bleibt es bei der Regelung des Paragraphen 32 Absatz 2 BGB a.F., der nunmehr zum Paragraphen 32 Absatz 3 BGB n.F. wird. Hiernach ist ein Beschluss nur gültig, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung schriftlich erklären. Dies schließt nach der herrschenden Lesart eine elektronische Kommunikation aus. Unter "schriftlich" versteht man überwiegend die Schriftform des Paragraphen 126 BGB (siehe Leuschner in MüKoBGB, 9. Aufl. 2021, § 32 Rn. 67 mwN), das heißt, es bedarf einer eigenhändigen Unterschrift aller abstimmenden Mitglieder. Umlaufbeschlüsse der Vereins- und Vorstandsmitglieder können daher mit der notwendigen Rechtssicherheit nach wie vor nur dann auf elektronischem Wege wirksam gefasst werden, wenn die Satzung vom Schriftformerfordernis des Paragraphen 32 Absatz 3 BGB n.F. abweicht.

KURZ & KNAPP

Wie ist die Gesetzesänderung zu bewerten? Und welche Tipps gibt es für die Stiftungspraxis?

  • Die Gesetzesänderung ist zu begrüßen – schafft sie doch, unabhängig von etwaigen Regelungen in der Satzung, Erleichterungen für die Beschlussfassung in digitalen und hybriden Sitzungen.
  • Bedauerlich ist, dass der Gesetzestext eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren weiterhin nur "schriftlich" ermöglicht.
  • ​Um eine Grundlage für Beschlussfassungen zu schaffen, die zugleich sowohl ein Höchstmaß an Flexibilität als auch Rechtssicherheit gewährt, empfiehlt sich für Stiftungen gegebenenfalls eine Satzungsänderung zu prüfen. Der Zeitpunkt mag günstig sein – sollten vor dem Hintergrund der Ende 2020 in Kraft getretenen Gemeinnützigkeitsrechtsreform oder der am 1. Juli 2023 in Kraft tretenden Stiftungsrechtsreform ohnehin Anpassungen in Betracht kommen.

Kontakt

Bei Fragen zum Thema wenden Sie sich gerne an:

Benjamin Weber (Foto: Sven Lorenz)

Benjamin Weber

ist Rechtsanwalt bei den Deutschen Stiftungsanwälten.

T 0201 8401-120

E-Mail senden

Die Deutschen Stiftungsanwälte (vormals DSZ Rechtsanwälte) ergänzen das Angebot des Deutschen Stiftungszentrums (DSZ) und bieten Expertise in allen stiftungs-, steuer- und erbrechtlichen Belangen. Sie kommen aus der Stiftungspraxis und sind neben der anwaltlichen Tätigkeit erfahren in der Beratung und Betreuung von Stiftern, Stifterinnen und Stiftungen. Mit Standorten in Essen, Berlin, Hamburg, München und Stuttgart beraten die Deutschen Stiftungsanwälte deutschlandweit.